282 Rußland. (Juli 1. Hälfte —2. Hälfte.)
dieser Kategorie aus der Stadt Luck den Befehl, die Stadt unver-
züglich zu verlassen. Von demselben Schicksal sind viele Israeliten
in Kremenetz und Wladimir-Wolhynski betroffen worden.
1. Hälfte Juli. (Prioritätenkonversion.) Die „Berl.
Pol. Nachr.“ schreiben:
Die mit dem Syndikat der letzten russischen Prioritätenkonversion befreun-
deten Blätte bemühen sich, die durch das Wolffsche Telegraphenbüreau aus Skt.
Petersburg hieher gelangte Mitteilung, daß in Deutschland 29½ Mill. Mark
der neuen Anleihe durch Konversion absorbiert worden seien, als einen ganz
erfreulichen Erfolg darzustellen. — Auch wir sind dauiit zufrieden, denn
wir erkennen daraus, daß unsere an die deutschen Inhaber gerichteten War-
nungen in erfreulicher Weise Gehör gefunden haben. Wir glauben nämlich
aus guter Quelle zu wissen, daß obige Summe, die an und für sich schon
nicht bedeutend ist, sich noch wesentlich reduziert, da das Syndikat seit
Wochen die hier auf den Markt gekommenen 5% Prioritäten aufgekauft
und für eigene Rechnung konvertiert haben dürfte. Wir können demnach
unsere frühere Behauptung, der übrigens an keiner Stelle widersprochen
worden ist, vollständig aufrecht erhalten, daß das Konversionsgeschäft als
solches als gescheitert bezeichnet werden darf, und ferner, daß der Stock
nicht plazierter russischer Werte sich durch jenes Geschäft von neuem um
eine sehr beträchtliche Summe vermehrt hat.
1. Hälfte Juli. (Der Eisenbahnunfall bei Borki.) Ueber
den Eisenbahnunfall der russischen Kaiserfamilie bei Borki am 17.
Oktober vorigen Jahres (vgl. Gesch.-Kal. 1888, 17. X.) werden die
Untersuchungsakten veröffentlicht.
Irgend welche Namen der Schuldigen werden darin nicht genannt,
da ja ein kaiserlicher Gnadenakt allen Verzeihung hatte angedeihen lassen.
Das wesentlichste Ergebnis ist, daß durch dies Protokoll die Kursk-Charkow-
Asower Bahn fast vollständig reingewaschen wird und alle Schuld auf die-
jenigen, welchen die Zusammenstellung und Leitung des kaiserlichen Zuges
anvertraut war, zurückfällt, also hauptsächlich auf den ehemaligen Minister
Poßjet, den Kommandeur des Zuges General Tscherewin und den Regie-
rungs-Inspektor Baron Taube.
2. Hälfte Juli. (Russisch-französisches Bündnis.) Die
offiziöse Pariser „Agence Havas“ berichtet von einem kürzlich zu
stande gekommenen Vorvertrag zu einem russisch-französischen Schutz-
und Trutzbündnis.
Das zu stande gekommene Abkommen, bemerkt die „Wiener Allgem.
Zeitung“, besitzt vorläufig nur den Charakter eines Präliminar-Vertrages,
welcher zu einer gegebenen Zeit endgiltigen Stipulationen Platz machen soll.
Die russisch-französischen Vereinbarungen sind nach dem Vorbilde des öster-
reichisch-deutschen Bündnisvertrages gleichfalls defensiver Natur und schließen
die Grundzüge einer beschränkten gegenseitigen Gebietsgarantie in sich. Der
vorstehenden Meldung haben wir nur noch hinzuzufügen, daß keinerlei Wider-
spruch, komme er von welcher Seite immer, die Thatsächlichkeit derselben
zu erschüttern im stande sein wird.
Die offiziöse „Nordische Telegraphen-Agentur“ bezeichnet da-
gegen die Meldung über einen angeblichen Präliminarvertrag zwi-