284 Rußland. (Oktober 2. Hälfte —30.)
Gerichte, lauter Russen, sind bereits ernannt worden. Der bis-
herige kurländische Gouvernements-Prokurator Mjassojedew wird in
das Innere des Reichs versetzt.
Die Regierung beginnt damit, alle Ortschaften mit deutschen
Namen in russische umzutaufen.
2. Hälfte Oktober. (Maßregeln gegen die ausländischen
Juden.) Der Oberpolizeimeister von Warschau erläßt eine Be-
kanntmachung,
welche die strengsten Maßregeln gegen ausländische Juden in Aus-
sicht stellt, die ohne entsprechende Erlaubnis des Ministers sich in Warschau
aufhalten. Ausländischen Juden ist gesetzlich die Berechtigung abgesprochen
worden, ohne besondere Genehmigung in Rußland Handel zu treiben oder
sich auch nur zeitweilig wohnhaft zu machen. Viele der Betroffenen haben
ihre Familien zurückgelassen und suchen offen oder heimlich zurückzukehren.
Diese sollen mit sofortiger Ausweisung bestraft werden. Den Beamten wird
besondere Strenge in der Ausführung der Maßregeln zur Pflicht gemacht.
2. Hälfte Oktober. (Ein neues Ansiedlungsgesetz) wird
erlassen, welches die soziale Hebung des Bauernstandes bezweckt.
Bauern und Kleinbürger sollen sich darnach auf freien Domänen-
ländereien des europäischen Rußlands und in geeigneten Strichen des russi-
schen Asiens ansiedeln dürfen. Die Ansiedler erhalten in den ersten schweren
Jahren Erleichterungen. Das ihnen überwiesene Land wird nach einer Pacht-
zeit ihr Eigentum, darf jedoch dann weder veräußert noch verschuldet werden.
2. Hälfte Oktober. (Ausgaben des Kriegsministeriums.)
Die „Köln. Ztg.“ meldet aus Petersburg,
daß dem Kriegsminister die zu militärischen Zwecken erforderlichen
Gelder für fünf Jahre im voraus bewilligt worden seien, wobei der letzte,
ohnehin übermäßig hoch bemessene Etat als Grundlage diente. Dem Kriegs-
minister stehen nunmehr für längere Zeit geradezu ungezählte Summen zur
Verfügung, über deren Verwendung er nur dem Zaren Rechenschaft abzu-
legen hat. Doch umfassen diese Summen nur die sogenannten Ordinarien;
für alle außergewöhnlichen Ausgaben werde noch außerdem auf den Finanz-
minister zurückgegriffen.
Das „Journal de St. Petersbourg“ bestreitet diese Meldung.
28. Oktober. (Finanzen.) Ein Kaiserl. Ukas bestimmt:
Der Reichsbank sind aus den freien Kassenbeständen des Reichsschatzes
13,82 Mill. Kreditrubel zu überweisen in Ergänung des an die Bank be-
reits abgeführten Gewinnrestes, welcher sich aus der Konversion der 5%
äußeren Anleihe von 1877 im Gesamtbetrage von 36,18 Mill. ergeben hat.
Nachdem alsdann wegen der in den Jahren 1878 bis 1887 temporär emit-
tierten Kreditbillets definitiv abgerechnet ist, sollen Obligationen der 5%
Goldanleihe, welche in der Bank deponiert ist, im entsprechenden Betrage
von 50 Mill. Kreditrubel vernichtet werden.
30. Oktober. (Prämienpfandbriefe der Adelsbank.) Ein
Kaiserl. Ukas ordnet die Emission neuer Prämienpfandbriefe der
Adelsbank an, indem er betont, daß das materielle Wohlergehen
des Adels, des ersten Standes Rußlands, dem Kaiser nahe liege.