Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfter Jahrgang. 1889. (30)

290 Türkei. (September 2. Hälfte—Dezember 1. Hälfte.) 
richtung einer landwirtschaftlichen Bank. 11. Eine Subvention aus der 
kaiserlich türkischen Kasse zur Ordnung der kretensischen Finanzen. 12. All- 
gemeine Amnestie für die Christen. 13. Strafrechtliche Verfolgung aller 
türkischen Verbrecher. 14. Angemessenen Schadenersatz für die Plünderungen, 
welchen die Christen durch die Türken ausgesetzt waren. Endlich verlangen 
die Kretenser, daß die Unterhandlungen in Kanea, und nicht, wie die Pforte 
es Anfangs wünschte, in Konstantinopel geführt werden, gleichzeitig mit der 
Bedingung, daß über alle obige Forderungen zusammen, nicht bloß über 
einzelne derselben verhandelt werde. Den Sitzungen der kretensischen Kom- 
mission, welche diese Unterhandlungen mit den türkischen Kommissaren zu 
führen hat, sollen weder Mitglieder der christlichen Mehrheit des letzten Par- 
laments, noch auch türkische Einwohner beiwohnen. 
Der Sultan lehnt die Forderungen der kretensischen Kom- 
mission ab, da seine Truppen so vorteilhafte Stellungen einnehmen, 
daß dieselben allen Möglichkeiten gewachsen sind. 
2. Hälfte September. (Heeresreduktion.) Nach einer Mel- 
dung der Times aus Konstantinopel wird durch ein Keiserliches 
Dekret die Friedenspräsenzstärke der türkischen Armee von dem 
gegenwärtigen Bestande von 250,000 auf 100,000 Mann herab- 
gesetzt, wodurch eine Ersparnis von zirka 2 Millionen Pfund er- 
möglicht und das Gleichgewicht des Budgets hergestellt wird. Die 
neue „Agence de Constantinople“ bezeichnet indes diese Nachricht 
für erfunden; wahr sei nur, daß Ersparnisse auf militärischem Ge- 
biete erwogen würden, ohne daß bis jetzt eine bezügliche Entschei- 
dung getroffen sei. 
Monat Oktober. Unter den Redifs (Reservetruppen) auf 
Kreta finden wiederholt Empörungen statt. 
2. Hälfte Oktober. Das kretensische Aufstandskomitee 
entflieht nach Athen. 
22. Oktober. (Der Ausschuß der kretensischen Flücht- 
linge in Athen) hält am Tage vor der Ankunft des deutschen 
Kaisers eine Sitzung ab, 
in welcher der Vorsitzende davon abrät, dem Kaiser irgend eine Bitte 
zu Gunsten Kretas vorzutragen. Nach Beendigung der Hochzeitsseierlich- 
keiten möge der Ausschuß die ausgearbeitete Denkschrift über die Zustände 
auf der Insel den Vertretern der Mächte überreichen. Einen Erfolg freilich 
werde dieselbe schwerlich haben, da alle Mächte um die Gunst des Sultans 
buhlten. Die europäische Diplomatie rufe den Kretern zu: „Hilf Dir selbst“, 
sie würden dieses Wort befolgen. 
2.—6. November. Besuch des deutschen Kaiserpaares. 
Dezember. (Die Arnauten) von der Balkanhalbinsel unter- 
nehmen mehrmals Raubzüge nach Bulgarien und Serbien. 
1. Hälfte Dezember. (Ferman betr. Kreta.) Ein keaiser-
	        
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