300 Rumãnien. (April 2. Hälfte—Mai 1. Hälfte.)
eines Krieges die Neutralität unmöglich werde, so werde das Land die Ent-
scheidung zu treffen wissen, welche seine Interessen wahre; aber man werde
sich dies wohl überlegen müssen, denn unter dem Regime Bratiano habe der
glückliche Ausgang des Krieges dem Lande dennoch eine Provinz gekostet.
Carp, der bisherige Minister des Auswärtigen, erklärt, die
Neutralität habe keinen Sinn in Zeiten eines Krieges, und ver-
langt, daß man die Propaganda der Panflawisten bekämpfe.
2. Hälfte April. (Auswärtige Politik.) Die Wiener
„Neue freie Presse“ bringt eine Unterredung ihres Korrespondenten
in Bukarest mit den Ministern Lahovary und Manu.
Darnach erklärt der erstere, der Systemwechsel betreffe lediglich innere
Fragen und habe mit äußeren Verhältnissen nichts zu thun. Die Regierung
sei im stande, sich sofort einen parlamentarischen Charakter zu geben, wenn
sie die Kammer auflöse — und sie werde dies, falls hierzu genötigt, thun
— dann würde sie zweifellos eine überwältigende Mehrheit haben. Die
Erbfolgefrage sei seit Jahren in einer der einmütigen Zustimmung des
Landes sicheren Weise gelöst; es sei durchaus falsch, das Kabinet Catargi
ein russisches zu nennen, dasselbe werde seine Verpflichtungen als die eines
kleinen Landes auffassen, welches sich eine gewisse Vorsicht und eine wohl-
wollende Haltung nach allen Seiten vor Augen halten müsse. General
Manu sagt, ein Kleinstaat könne eine vollständige Anlehnung an irgendeine
Großmacht gar nicht anstreben; aber in Oesterreich solle man nicht vergessen,
daß es Catargi gewesen sei, welcher den Handelsvertrag mit Oesterreich zu
stande gebracht habe. Die offiziöse „Agence Roumaine“ erklärt, die in aus-
ländischen Blättern verbreitete Nachricht, das Kabinet Catargi hätte die vom
früheren Kabinete ausgesprochene Ausweisung von 7 oder 8 Agitatoren ser-
bischer, montenegrinischer und russischer Nationalität widerrufen, entbehre
der Begründung. Catargi habe der Kammer vor etwa 10 Tagen erklärt,
daß ein unabhängiger Staat auf seinem Gebiete unbedingt Herr sei, kraft
der Gesetze, die gegen die eigene Sicherheit gerichteten Umtriebe verhindern
müsse, und den benachbarten Staaten gegenüber die Pflicht habe, die auf
Umsturz des bei ihnen bestehenden Standes der Dinge abzielenden Ver-
schwörungen zu vereiteln. Ferner habe Catargi erklärt, sich auf diesbezüg-
liche Erörterungen nicht einzulassen, mögen dieselben von welcher Seite auch
immer angeregt werden. Die „Agence Roumaine“ hebt den engen Zusammen-
schluß aller Fraktionen von konservativer Richtung hervor und betont die
Bedeutung dieses Umstandes für das politische Leben Rumäniens.
1. Mai. Feierlicher Einzug des Kronprinzen in Brukarest.
1. Hälfte Mai. (Die Religion des Kronprinzen.) Die
offiziöse „Independance Roumaine“ wendet sich gegen die Behauptung
der „Nowoje Wremja“, daß der rumänische Thronfolger verfassungs-
mäßig die orthodoxe Religion annehmen müsse, und bezeichnet diese
Interpretation als eine irrige.
Der Artikel 82 der Verfassung bestimme, daß die Nachkommen des
Königs in der orientalisch-orthodoren Religion erzogen werden müßten, gleich-
zeitig aber auch, daß die Thronfolge, falls keine direkte Nachkommenschaft
vorhanden, auf den ältesten Bruder des Königs oder dessen Nachkommen
übergehe, ohne Verpflichtung für den Thronerben, die orthodoxe Religion