Serbien. (März 6.) 307
äußeren Verhältnisse Serbiens seien heute derart geregelt, daß er überzeugt sei,
das Land werde aus seiner Arbeit Nutzen ziehen. Vor allem sei er bemüht
gewesen, die Freundschaft und die Unterstützung der an der Aufrechterhaltung
des Berliner Vertrages und des europäischen Friedens interessierten Mächte
zu gewinnen. Seine Kraft sei aber verbraucht. Die neue Aera erfordere
Kräfte, die er nicht in sich fühle. Er besitze kein Recht, diese Arbeit zu
versuchen, sei es gegenüber Serbien, sei es seinem Sohne, sei es Europa.
gegenüber, welches ihn mit Sympathien überhäuft habe, für die er stets
dankbar bleibe. Das Manifest appelliert sodann an die serbischen Parteien
behufs Durchführung der neuen Verfassung, empfiehlt den König Alexander
der Liebe des serbischen Volkes und betont, daß die Regierung den Händen
erprobter Patrioten und weiser Staatsmänner übergeben werde. Der König
spricht schließlich die Ueberzeugung aus, daß die Regentschaft das Land auf
dem Wege des Fortschrittes weiterführen und die auswärtige Politik so fort-
setzen werde, daß der innere Friede und die innere Ruhe der Balkanhalb-
insel, sowie alle Vorteile bewahrt würden, welche der König Milan mit
Hilfe des Wohlwollens Europas errungen habe. „Gott segne Serbien und
den König Alexander I. Hoch die serbische Nation!“
Ein Rundschreiben der neuen serbischen Regierung ergeht in
gleichlautender Form an alle Mächte; nur in drei Fällen wurde
am Schlusse ein besonderer Passus eingeschoben.
In dem Rundschreiben an Oesterreich wurde gesagt: Die Regierung
werde sich ganz besonders glücklich schätzen, wenn er ihr gelinge, die bestehen-
den freundschaftlichen Beziehungen und das erworbene Wohlwollen des
Monarchen zu erhalten. In dem Rundschreiben an Rußland ist der Passus
hinzugefügt, daß die Regierung den traditionellen Gefühlen des Landes und
seiner Bevölkerung entsprechend, die besten Beziehungen zum Hofe von St.
Petersburg und zur russischen Regierung erhalten wolle. In dem Schreiben
an Bulgarien wurde der Wunsch nach Erhaltung der bisherigen guten Re-
lationen ausgedrückt.
Ueber die Aufnahme dieses Rundschreibens äußerte sich der
Minister Gruitsch wie folgt:
„In Berlin erfolgte die freundlichste Gegenäußerung. In Wien hat
Sektionschef Szoegyenyi unserem Gesandten erklärt, die Regierung sei durch
das Ereignis nicht überrascht worden und blicke mit Vertrauen in die Ent-
wickelung unserer Zukunft. — In Sankt Petersburg hat man versichert,
daß der Kaiser sein volles Wohlwollen dem jungen Könige, den Regenten
und der Regierung entgegen bringe und daß man uns empfehle, gute Be-
ziehungen zu den Nachbarstaaten zu pflegen. Wir bedürfen vor allem der
Ruhe und des Friedens und daraus geht hervor, daß wir die besten Be-
ziehungen zu Oesterreich wünschen. Es giebt keine Partei in Serbien, die
dies nicht wünschte. Ein kleiner Bruchteil von Politikern aber hat daneben
den Wunsch, daß wir mit Rußland nicht auf gutem Fuße leben sollen. Ich
und meine Partei sagen aber dazu Nein. Der Kaiser von Oesterreich
und der Deutsche Kaiser sind bemüht, gute Beziehungen zu St. Petersburg
zu wahren; und wir, das kleine Serbien sollen Rußland provozieren? Das
wäre eine Selbstüberhebung, die an Wahnsinn grenzt.“ Diese Erklärungen
Gruitschs stimmen vollkommen mit jenen überein, die er schon zuvor dem
österreichischen Gesandten Hengelmüller aus Anlaß der Abdikation König
Milans gegeben hatte.
Wie die offiziöse Presse in Oesterreich, Rußland und Deutsch-
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