308 Serbien. (März 6.)
land den Schritt König Milans beurteilt, zeigte zuerst das Wiener
Fremdenblatt:
Es konstatiert, daß eine definitive Thronentsagung des Königs Milan
sowohl in der österreichisch= ungarischen Monarchie als auch in anderen
Staaten mit aufrichtigem Bedauern ausgenommen werden würde, da derselbe
Serbien mit den Wohlthaten der Ordnung und Kultur vertraut gemacht
und das Land dem großen internationalen Verkehr eröffnet habe. Mit der
Person Milans würde dem politischen Leben Serbiens ein gewaltiger Faktor
entzogen werden, der schwer vermißt werden könnte.
n Von besonderem Interesse ist in dem Artikel die Aeußerung über
istics.
D „Schon auf die Nachricht, Ristics werde in das neue Kabinet treten,
mobilisierten alle radikalen Klubs, um den Kampf für die Neuwahlen zu
organisieren. Es wird daher die erste Aufgabe des neuen Regenten sein,
den Feldzug gegen diese vorzubereiten. Im übrigen ist Ristics eine so mar-
kante Figur unter den Staatsmännern Serbiens, daß die Grundzüge seiner
Politik weder nach Innen noch nach Außen hin einer Enthüllung oder
näheren Beleuchtung bedürfen. Schon war er in den Jahren 1868.—1872
während der Minderjährigkeit Milans einer der Regenten des Landes und
seither stand er mehrfach an der Spitze der Belgrader Kabinete. Als ein
erfahrener, praktischer und auf das Wohl seines Volkes bedachter Politiker
wird er auch in der Haltung Serbiens zum Auslande sich nur von den
Erwägungen der Nützlichkeit und der Notwendigkeit leiten lassen. Die guten
Beziehungen zwischen Serbien und unserer Monarchie liegen so sehr in den
gegenseitigen Interessen beider Staaten und entsprechen derart den beidersei-
tigen unverkennbaren Exigentien, daß noch kein serbischer Staatsmann deren
Unerläßlichkeit verkannt hat. Auch Herr Ristics hat den Bedürfnissen seines
Landes, hat den für dessen gedeihliche Entwickelung maßgebenden Erwä-
gungen stets volle Rechnung getragen, und eben deshalb darf mit Sicherheit
vorausgesetzt werden, er werde die guten Beziehungen Serbiens zur öster-
reichisch-ungarischen Monarchie zu erhalten aufrichtig bemüht sein. Das
gegenseitige Verhältnis zwischen den beiden Ländern ist ein Produkt der
Notwendigkeit, und Herr Ristics selbst hat mehrfach erklärt, den Anforde-
rungen derselben stets Gehör zu schenken. Die Thaten des serbischen Re-
genten dürften demnach zweifellos in steter Uebereinstimmung mit der von
ihm selbst ausgesprochenen Erkenntnis bleiben. Sicherlich verfolgt die öffent-
liche Meinung Oesterreich-Ungarns mit der bisherigen, für Serbien stets be-
kundeten Teilnahme auch die neueste und, wie es scheint, sehr einschneidende
und für dieses Land bedeutungsvolle Phase, deren ganzer Umfang erst durch
die Königliche Entschließung am Krönungstage bekannt werden kann, und
sie ist dabei lediglich von dem Wunsche erfüllt, es möchten auch die bevor-
stehenden Ereignisse in dem Wohle und dem Frieden des Landes ihren end-
giltigen Abschluß finden."
Die „Pol. Korresp.“ ferner läßt sich aus St. Petersburg
melden, es habe der Minister des Auswärtigen, Herr von Giers,
anläßlich der durch den serbischen Gesandten, Herrn Simics, er-
folgten Notifikation des Thronwechsels in Serbien sich dahin ge-
äußert, daß derselbe ein legaler, nur die inneren Verhältnisse Ser-
biens betreffender Akt und als solcher nicht geeignet sei, die fremden
Mächte zu beschäftigen. „Was Rußland betrifft“, fügte der Mi-