Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 26.) 23
schon ungefähr 500 Millionen bar ans Ausland. Soviel ich mich der Zif-
fern erinnere, figuriert darin die Baumwolle als Höchstes mit ungefähr
200 Millionen, der Kaffee mit 192 Millionen, der Tabak mit 64 Millionen
und außerdem Kakao, Gewürze, Vanillen, in erheblichem Maße. Wenn wir
von dieser Einfuhr von 500 Millionen, die wir bar bezahlen müssen, auch
nur den zehnten Teil abrechnen, oder den hundertsten Teil mit 5 Millionen
einstweilen für deutsche Eigentümer erwerben könnten, welche in Zanzibar
und in diesen Küstenländern unter sicherem Schutze des Reichs ihren Tabak,
ihre Baumwolle, ihren Kakao bauen könnten, so würde ich das doch für
einen erheblichen wirtschaftlichen Gewinn halten und auch für einen volks-
wirtschaftlichen insofern, als eine Menge der überschüssigen Kräfte, die wir
in unseren Gymnasien und höheren Schulen erziehen, dort als Leiter von
solchen Einrichtungen eine Verwendung finden könnten, die wir im Lande
doch nicht überall haben und vielleicht mit der Zeit immer weniger haben
werden.
Also ich möchte nur bitten, eine solche koloniale Gründung nicht als
einen Lotteriesatz zu betrachten, der im nächsten halben Jahre einen unge-
heuren Gewinn geben muß, sondern als eine vorbedachte, berechnete Anlage,
die unter Umständen vielleicht auch keinen Gewinn abwirft, aber doch mit
Wahrscheinlichkeit in zehn, — und wenn es in zwanzig Jahren wäre, wäre
es auch kein Unglück. Wir haben die Gewißheit, daß diese tropischen Länder,
welche die einzigen noch unokkupierten sind, uns von anderen Mächten nicht
mehr bestritten werden können. Unsere ganze Besitzergreifung, unsere ganze
Neigung, sie zu verteidigen, hat sich ja ursprünglich nur gegen andere
Mächte, die auch dort Besitz ergreifen wollten, gerichtet, und denen gegen-
über haben wir durch unsere freundschaftlichen Beziehungen vollständig die
Mittel, sie fern zu halten. Sie haben die Grenzen anerkannt, die wir ge-
zogen haben; innerhalb der Grenzen kann sich der Deutsche entwickeln.
Will er nicht oder gelingt es ihm nicht, nun gut, so bleibt es noch immer
einer späteren Generation vorbehalten, den Versuch zu wiederholen.
Ich bin ganz bestürzt gewesen über den Gedanken, den viele Leute
gehabt haben, als müßte das nun gleich wie ein Gründungspapier eine un-
geheure Dividende abwerfen. Ich habe mir gedacht: das ist eine Beschlag-
nahme wie bei der Mutung eines Bergwerkbesitzes oder dem Ankauf eines
später zu bebauenden Grundstücks, und wenn man nicht mit Ruhe einen
Erfolg abwarten kann, so hätte man es überhaupt nicht thun sollen. Daß
man gegen diejenigen, welche solche Anlagen machen, nun den Vorwurf er-
hebt, daß sie nicht sofort am nächsten Donnerstag eine große Rente geben,
nun dazu gehört die leidenschaftliche Feindschaft, die auf Parteikämpfen be-
ruht. Das kann ich nicht mehr als eine staatliche Erwägung behandeln
und ansehen.
Die Küste also müssen wir meines Erachtens wiedererwerben und
halten, wenn wir unsere Aufgabe der Zivilisation von Afrika erfüllen wollen.
Die Sklaverei mit einemmale abschaffen zu wollen im Innern von Afrika,
— das ist ein Gedanke, der nur von lokalunkundigen Leuten gefaßt werden
kann. Ich erinnere wiederholt daran — ich habe es schon einmal gesagt —,
daß nur auf der kleinen Insel Jamaika die Aufhebung der Sklaverei der
englischen Regierung 20 Millionen Pfund Sterling — das sind 400 Mil-
lionen Mark — gekostet hat, und wir werden doch nicht gegen die Sklaven-
besitzer gewaltthätig vorgehen. Bei uns in Deutschland, wo die Gewalt viel
stärker ist und die Gesetzgebungen soviel durchschlagender, ist doch auch die
Aufhebung der Hörigkeit nicht ohne Entschädigung erfolgt; — aber das ist
eine Frage, die ich jetzt noch nicht als vorliegend ansehe. Die Küste müssen
wir immer haben, um weiter in das Land hinein zu wirken; die Küste ist