Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfter Jahrgang. 1889. (30)

Frank- 
reich. 
380 Mebersicht der pelitisezen Entwickelung des Jahres 1889. 
zipiellen Gegensatz gegen die Arbeitgeber bringt, und in die Hände 
der Gewerkvereinsführer eine Macht legt, die zu dem allerschwersten 
Mißbrauch Gelegenheit geben kann. 
Entsprechend der Annäherung an die Triple-Allianz, was für 
England gleichbedeutend mit der Möglichkeit einer aktiren auswär- 
tigen Politik ist, wurde eine gewaltige Verstärkung der Flotte be- 
schlossen (vgl. 7. März). 
Wahrhaft erstaunlich bleibt die Expansionsfähigkeit Englands 
auf kolonialem Gebiet. Trotz der unermeßlichen Länderstrecken, die 
es entweder schon beherrscht oder gar schon bevölkert hat, greift es 
in Afrika immer noch weiter aus, konkurriert mit Deutschland und 
Portugal an der Ost= wie an der Westküste, gründet Gesellschaften 
von einer Kapitalmacht, gegen die alles, was in Deutschland auf- 
gebracht wird, winzig erscheint und setzt sich endlich in Egypten so 
fest, als wenn es der unbestrittene rechtmäßige Besitzer wäre. Die 
Macht, die so lange den Engländern diese Perle streitig gemacht 
und sie selber schon so oft ins Auge gefaßt hat, Frankreich, schmollt, 
aber schweigt. Als der Prinz von Wales von der Hochzeit in 
Athen aus einen Abstecher nach Alexandria machte und dort wie 
ein Herr empfangen wurde, begnügten sich die Franzosen, durch 
Fernbleiben eine kleine Demonstration zu machen. 
Von allen Staaten hat Frankreich wohl im Jahre 1889 am 
meisten erlebt: den Panamakrach, die Verfassungskrisis des Bou- 
langismus, eine neue Wehrverfassung, die große Jubiläums-Aus- 
stellung, Neuwahlen. Nicht weniger als 1200 Mill. Franken sind 
in den Panama-Kanal verbaut, eine Summe, für die man Paris 
hätte zu einem Seehafen machen können, — und das Resultat ist 
höchst wahrscheinlich, daß diese ganze Arbeit wieder verfällt und 
von Amerika statt dessen ein Schleusen-Kanal durch Nikaragua ge- 
baut wird. (Vgl. den Aufsatz von Polakowsky im 63. Bde. der 
Preuß. Jahrb.) Es ist kaum zu begreifen, wie die französische 
Volkswirtschaft einen solchen Verlust hat ertragen und auch die 
Regierung ohne Erschütterungen hat fortbestehen können. Man 
nimmt an, daß bei weitem der größte Teil des Geldes von den 
kleinen französischen Rentiers, angeblich 870,000 Teilnehmern, auf- 
gebracht ist. Obgleich auch noch ein Kupferkrach an der Börse
	        
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