30 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 2. Hälfte.)
öffentlicht einen Hirtenbrief des katholischen Feldpropstes, Bischof
Dr. Aßmann. In demselben heißt es:
„Was mich aber insbesondere noch beim Antritte meines Amtes er-
mutigt, ist die Gnade und das Allerhöchste Vertrauen Seiner Majestät des
Kaisers und Königs, das mich in Uebereinstimmung mit dem hl. Vater in
mein Amt berufen hat, wie auch das von den hohen Behörden mir gezeigte
Entgegenkommen und die huldvolle Zusicherung der für ein segensreiches
Wirken notwendigen Unterstützung. Ich darf mich dieses mich ermutigenden
Schutzes um so mehr für versichert halten, als die traurigen Erfahrungen
der neuen und neuesten Zeit mehr und mehr den offenbaren Beweis geliefert
haben, daß durch Erkalten. Schwächerwerden im Glauben, und gar durch
den Unglauben, die Bande gesellschaftlicher Ordnung gelöst und die öffent-
lichen Verhältnisse, welche das Herz der Unterthanen in Treue und Liebe
ans angestammte Herrscherhaus zum Wohle und Heile des Vaterlandes
knüpfen, zerrissen werden müssen; daß dagegen Friede und unterwürfiger
Gehorsam, Ordnung und Sicherheit nur in der Religion eine ewige Bürg-
schaft und in der Kirche des eingeborenen Sohnes Gottes den festesten Halte-
punkt besitzen."“
2. Hälfte Februar. (Prinz Alexander von Batten-
berg.) Die Presse bringt die Nachricht von der Vermählung des
Prinzen mit einer Sängerin, Fräulein Loisinger. Der Prinz führt
von jetzt an den Namen eines Grafen Hartenau. "
2. Hälfte Februar. (Offiziös.) Unter diesem Titel bringt
das „Volk"“, Organ Hofprediger Stöckers, folgenden Artikel:
„, Eine kriechende Gattung von Politikern, die unser Vaterland weder
vorher noch nachher gekannt hatte, trat zu jener Zeit ins Dasein. Diese
Menschen gingen auf das bereitwilligste mit jeder Partei, verließen jede
Partei, unterwühlten jede Partei, griffen jede Partei an, und das alles im
Handumdrehen.““
„Wenn wir unseren Lesern eine Schilderung des „offiziösen“ Treibens
geben wollen, glauben wir das nicht auf bessere Weise thun zu können, als
durch obige Stelle aus Macaulays Lebensbilde des älteren Pitt.
„Eine kriechende Gattung von Politikern — so verächtlich, wie Ma-
caulay über jene „Offiziösen“ Georgs III. urteilt, so verächtlich urteilt schon.
die Mitwelt über die „Offiziösen“, welche in unserem deutschen Vaterlande
das öffentliche Urteil verwirren, den Volkscharakter verschlechtern, neuerdings
sogar das Ansehen der Monarchie untergraben.
„Vor 6 Jahren arbeiteten diese „Offiziösen“ mit ebenso viel Hoch-
druck als Ungeschick für die konservative Partei; die nationalliberale Partei
wurde damals bekanntlich an die Wand gedrückt. Dann kam die Zeit, in
welcher die „Offiziösen“ den durch ihr Eintreten für die konservative Partei
in der letzteren gewonnenen Einfluß anzuwenden hatten, um die Partei zu
unterwühlen, zu entmannen, sie der Thatkraft zu berauben. Haätten sie diesen
Umschwung allzu plötzlich eintreten lassen, so würde der Zweck nicht erreicht
worden sein. Hätte man vor 6 Jahren Herrn Hofprediger Stöcker so an-
gegriffen, wie das jetzt geschieht, so würde ein Sturm der Entrüstung sich
gegen die Anmaßung der „Offiziösen“ gekehrt haben. Dies Unterwühlen der
konservativen Partei durch die „Offiziösen“ mußte erst große Fortschritte ge-
macht haben, ehe die „Nordd. Allg. Ztg.“ es wagen durfte, den Oberkirchenrat
zweimal zur Eröffnung einer Disziplinaruntersuchung gegen Herrn Hofprediger
Stöcker zu drängen.