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Stürgkh in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 18. April
1912 in seiner Antwort auf eine diesen Gegenstand betreffende
Interpellation darauf verwiesen, daß eine dauernde Suspen-
dierung der kroatischen Verfassung geeignet erscheine, die klag-
lose — gemeint ist die verfassungsmäßige — Sicher-
stellung der gemeinsamen und nach gemeinsamen Grundsätzen zu
behandelnden Angelegenheiten zu berühren, den politischen
Naturalisationsproze&ß Bosniens und der Herzegowina
nachteilig zu beeinflussen und die Erwägung des Einflusses der
Suspendierung auf die Stellung der Monarchie nach außen nahe
zu legen. Die Regierung erachte sich verpflichtet, den Zeitpunkt
wahrzunehmen, in welchem sie für die Wahrung der Interessen
der Monarchie gegen abträgliche Rückwirkungen des Aus-
nahmezustandes einzutreten haben werde. Enthielt schon diese
Interpellationsbeantwortung die Andeutung, daß die Frage nach
der gültigen Zusammensetzung der ungarischen Delegation im
Falle längerer Dauer der Suspension des Wahlrechts des kroa-
tischen Landtags in den gemeinsamen ungarischen Reichstag ($ 34
des G. A. 50; 1868 und S 4 G.A. 34: 1874) und der Erneuerung
der Wahl kroatischer Delegierter durch den Reichstag ($ 41 6.
A. 30: 1868) aktuell werden könne, so interpellierte der Deli-
gierte Dr. Sustersie in der Sitzung der österreichischen Delegation
vom 30. April 1912 den Präsidenten ausdrücklich, welche Kon-
sequenzen er aus der Rechtslage zu ziehen gedenke, daß unter-
lassen worden sei, den aufgelösten kroatischen Landtag binnen 3
Monaten, also spätestens am 27. April 1912, zusammentreten zu
lassen, und daß infolgedessen die verfassungsmäßige Neu-
wahl der kroatischen Delegierten unterblieben, die ungarische
Delegation eine bloße Rumpfdelegation sei. Es ist dies jene
Interpellation, die später Stefan Tisza zu der Aeußerung hinriß,
21! Diese Frage ist durch eine im Morgenblatt der Zeit vom 12. April
1912 Nr. 3428 veröffentlichte Meinungsäußerung des Verfassers dieser Ab-
handlung in Fluß gebracht worden.