132 Bas Benutsche Reich und seine einzelnen Elieder. (August 21.—29.)
Preßerzeugnisse, die nur rein militärischen Federn entsprungen sein könnten
und welche die geplante Heeresvermehrung sehr verschiedenfach beurteilten,
insbesondere aber weitgehende organisatorische Einschränkungen aus Er-
sparnisrücksichten bei einer etwaigen Einführung der zweijährigen Dienstzeit
als möglich erörtern. Derartige Erörterungen über eine Militärvorlage,
der er noch gar nicht zugestimmt habe, gehörten ins Gebiet der Phantasie.
Die zweijährige Dienstzeit erscheine weiten Kreisen als eine zeitgemäße Ein-
richtung; sie sei aber ohne Gewährung ganz besonderer Gegenleistungen nicht
denkbar. Sollte etwa die Mehrheit des Reichstages nicht patriotisch genug
sein, mit einer Vorlage, die auf der zweijährigen Dienstzeit beruht, gleich-
zeitig die erwähnten notwendigen Ergänzungen derselben zu bewilligen, dann
erkläre er, daß ihm immer noch eine kleine, gut disziplinierte Armee lieber
sei, als ein großer Haufe.
21. August. Unterzeichnung des Handels= und Zollvertrags
zwischen Deutschland und Serbien; vgl. Serbien.
22. August. In Hamburg bricht die Cholera aus.
27. August. General-Major v. Villaume, der deutsche
Militärbevollmächtigte in St. Petersburg, überreicht in Petershof
sein Abberufungsschreiben.
29. August. In Mainz findet ein Katholikentag statt,
auf dem alle hergebrachten Forderungen mit der größten Lebhaf-
tigkeit wiederholt werden.
Die „Nordd. Allg. Ztg.“ macht der Versammlung einige Kom-
plimente. Darüber entsteht ein Preßsturm, aus dem wir folgende
Aeußerungen anreihen:
„Germania“: „Eine Regierung, die sich entschieden auf positiv-
christlichen Boden stellte, die den christlich-germanischen Staat anstrebte,
einer solchen Regierung würden noch heute in Deutschland ungeahnte
Lebenskräfte zuströmen, sie würde an die Spitze einer neuen modernen Be-
wegung für die ganze Welt treten und wirklich mit Erfolg die Lösung der
sozialen Fragen, die uns sonst über den Kopf wachsen, in die Hand nehmen
können. Die Liberalen aber würden vor einem solchen warmen Hauche wirk-
lichen christlichen Lebens verschwinden wie Schnec vor der Frühlingssonne."
„Kreuz-Zeitung“: „Der Liberalismus glaubt immer noch, das Zentrum
als ein politisches Nichts behandeln zu können. Er übersieht in seiner
Selbstüberhebung, daß schon seit längerer Zeit das Zentrum bemüht ist,
den thatsächlichen Beweis zu führen, es wolle keine faktiöse Opposition
machen, und daß die Ereignisse des letzten Winters bei Gelegenheit des
Schulgesetzes gezeigt haben, wie tief der Gegensatz ist, der alle Freunde des
christlichen Volkslebens von dem gesamten Liberalismus scheidet und zur
gegenseitigen Annäherung drängt.“
„Reichsbote“: „Das Zentrum ist ebenso wie die Sozialdemokratie
eine Frucht der liberalen Aera mit ihrer falschen kirchenpolitischen und
wirtschaftlichen Politik und Gesetzgebung.“
„Volk“: „Das Zentrum erwartet mit einiger Sicherheit den Augen-
blick, in welchem sich die Regierung ihm auf Gnade und Ungnade er-
geben wird."“
„Nationalliberale Korrespondenz“: „Jedenfalls darf man als das
Ergebnis der vergangenen Woche betrachten, daß die klerikalreaktionären