198 Das Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 10.)
die verbreitet ist, und als eine Ansicht, die man eigentlich, wenn es auch
eine Aeußerlichkeit ist, hätte dadurch vermeiden können, daß man nicht den
Auedruck „vierte Bataillone“ gebraucht, daß man sie z. B. „Ersatzabtei-
lungen“ genannt und nun die Erläuterung gegeben hätte, was diese „Ersatz-
abteilungen“ vorstellen. Es ist auch gar kein Name, der paßt. Unter dem
Namen „Bataillon“ ist ein gefechtstüchtiger Körper zu verstehen, und wenn
wir heute in der Vorlage lesen, daß wir ferner 711 Bataillone Infanterie
haben sollen, so gibt das doch ein ganz falsches Bild; denn darunter sind
173 „Bataillone", die keine Bataillone sind. Denn, meine Herren, zwei
Kompanien von zusammen 195 Mann Stärke sind doch nun und nimmer
ein Bataillon! Oder sollte das die Möglichkeit bieten, daß dem Bataillon
ein Bataillonskommandeur gegeben wird, und daß man damit eben einen
alten Bekannten, den 13. Hauptmann, der oft Major ist, aber kein Majors-
gehalt hat, endlich in einer Stellung wiederfindet, wo er Majorsgehalt
beziehen kann?" Es kann sein, daß dies dabei ein Nebenpunkt gewesen ist;
aber eine Hauptsache ist das doch nicht, und ich meine, auch bei dieser
Frage könnte man wesentlich beschränkend vorgehen, indem man — das
werden wir in der Kommission selbstverständlich thun lassen — uns genau
orientiert, wie man auf den Mannschaftsstand von 195 gekommen ist, was
diese „Bataillone" oder — wie ich sie lieber nennen möchte — „Ersatz-
abteilungen“ zu thun haben und wie hoch ihr Etat mindestens sein na-
damit sie ihrer Aufgabe gerecht werden.
Nun, meine Herren, kommt die Kavallerie. Da, muß ich sagen, bin
ich am allermeisten zweifelhaft darüber, ob die Erfahrung, die man in
Oesterreich gemacht hat, wirklich animierend wirkt, hier in Preußen so vor-
zugehen, ob das in vielen unserer Provinzen überhaupt möglich sein wird.
Es wird in einzelnen Provinzen gehen, wo man an gute Pferdehaltung
gewöhnt ist; in anderen Provinzen wird man, glaube ich, ein sehr frag-
würdiges Kriegsmaterial bekommen, wenn man dem Landmann das Pferd
wieder wegnimmt, um einen Kavalleristen darauf zu setzen, der damit in
den Krieg ziehen soll. Ich glaube, das wird recht bedenklich sein.
Die Artillerie ist immer eine Art Lieblingskind hier im Reichstage
gewesen, weil man immer das Gefühl hatte: es ist eine Waffe, die der
Infanterie und der ganzen Armee sehr angenehm ist, wenn sie im Kriege
zahlreich vorhanden ist, und, wie der Herr Abgeordnete Windthorst einmal
sagte, gewissermaßen die Entscheidung herbeiführt in den Schlachten und
einen wesentlichen Stützpunkt bildet für die ganze Armee. Alles das sind
Dinge, auf deren Einzelheiten ich nicht eingehen will.
Wir kommen zu den Pionieren, zu den Eisenbahntruppen, zum
Train. Verzeihen Sie mir, meine Herren von der Militärverwaltung, die
Armee hat, wenn sie uns eine solche Vorlage macht, immer die Gewohn-
heit, mit gepacktem Tornister auszurücken, d. h. Sie machen die Vorlage
zur Friedenspräsenz, und da wird in den Tornister alles mögliche ein-
gepackt, was sonst gut und angenehm für die Armee ist. Diesen Tornister
müssen wir uns in der Kommission auspacken lassen, müssen sehen: was
liegt denn alles darin, was ist unbedingt notwendig, was kann zurückgestellt
werden!?
Ich weiß recht wohl, daß man von der Militärverwaltung mir
sagen wird: Du gehst von einem ganz falschen Standpunkte aus, unsere
ganze Militärvorlage geht von dem Standpunkte aus, wir wollen alle
waffenfähigen Mannschaften nach Möglichkeit einstellen, wir suchen für diese
Platz in der Armee; dafür finden wir Platz in den vorhandenen Bataillonen,
in den zu schaffenden Kadres und auch in den technischen Truppen, die noch
zu bilden sind. Ich glaube aber, Sie finden einen großen Platz schon