206 JNos Veutsche Reich und seine einzelnen Elieder. (Dezember 12.)
hervorragenden Beamten; aber sie sind Privatäußerungen. Und was die
Aeußerungen des Herrn Geheimen Rats v. Schraut angeht, so kann ich aus
einem Entscheid, den der Fürst Bismarck getroffen hat, aus den Akten, zum
großen Teil mit dessen eigener Hand, folgende Erwiderung vorlesen: „Diese
Verheißungen gehen über die vorgezeichnete Verhaltungslinie bedenklich hinaus.
Sie enthalten nichts, was nicht vielleicht von uns bewilligt werden kann;
aber die Kundgebung der Bereitwilligkeit dazu ist verfrüht und in der Form
fast ein Versprechen. Sie ist geeignet, bei den außerdeutschen Delegierten
mißverständliche Meinungen über die Opfer zu wecken, welche Deutschland
zur Förderung eines Arrangements zu bringen bereit ist.“ (Hört, hört! links.)
Ich bin bereit, die Instruktion, die die deutschen Delegierten be-
kommen haben, vorzulesen, weil ich eben Wert darauf lege, daß über unser
Verhalten vollkommene Klarheit in der Welt und im hohen Reichstag bleibt.
Nach dem üblichen Eingange heißt sie: „Bezüglich Ihres Verhaltens auf
dieser Konferenz wollen Sie sich zur Richtschnur dienen lassen, daß Deutsch-
land an den Grundlagen seines Münzwesens Aenderungen vorzunehmen
nicht beabsichtigt und keinen Anlaß erkennt, durch Eingehen vertragsmäßiger
Verbindlichkeiten sich in der freien Selbstbestimmung über seine Münz-
angelegenheiten Beschränkungen aufzuerlegen. Ich lege darauf Wert, daß
hierüber bei den Beratungen keinerlei Zweifel entsteht, so wenig ich verkenne,
daß die fortwährenden Schwankungen des Silberpreises und sein starkes
Sinken auch für Deutschlands wirtschaftliche Interessen sehr unerwünscht
sind und eine nachhaltige Verminderung dieser Uebelstände auch für uns
nützlich sein würde. Im übrigen ersuche ich Sie, eine informatorische Hal-
tung zu bewahren, sich über die Absichten der an der Konferenz beteiligten
Regierungen thunlichst zu orientieren und über die Entwickelung und Lage
der deutschen Münzverhältnisse bereitwillig Auskunft zu erteilen. Zu einer
Mitteilung über die Zusammensetzung des Barvorrates der Reichsbank sind
Sie jedoch nicht ermächtigt; sollte eine entsprechende Anfrage ausdrücklich
gestellt werden, so ist betreffs der Beantwortung meine Entscheidung einzu-
holen. Etwaige Vorschläge der Regierungen sind von Ihnen unter Ver-
meidung bindender oder den Entschließungen der Kaiserlichen Regierung
irgendwie präjudizierender Erklärungen ad referendum zu nehmen. Ihrer
Berichterstattung über den Verlauf der Konferenz sehe ich demnächst
entgegen."“
Der bisherige Verlauf der Brüsseler Konferenz hat diese Instruktion
vollkommen gerechtfertigt. Wollte ich hierauf weiter eingehen, so würde ich
auch das Verhalten anderer Regierungen zum Gegenstand meiner Aeuße-
rungen machen müssen und würde dadurch den Erfolg der Bemühungen der
vereinigten Regierungen vielleicht in Frage stellen. Es wird also keins der
Mitglieder der verbündeten Regierungen heute hier weiter auf die Sache
eingehen.
Im Lauf der Debatte äußert der Reichskanzler ferner:
Ereignisse der letzten Wochen, die zu dem Betrübendsten gehören,
was ich als Patriot in meinem Leben erfahren habe (Sehr richtig! links),
scheinen es mir zur Pflicht der Reichsregierung zu machen, nicht hinter dem
Berge zu halten, sondern zu sagen, wie sie diesen Dingen gegenüber steht.
(Bravol)
Ich kann es wohl begreifen, daß man Antisemit sein kann; ich kann
es wohl verstehen, daß man Bimetallist sein kann; ich kann auch begreifen,
daß man beides zusammen sein kann. Aber wenn der Antisemitismus oder
Bimetallismus eine Wendung annimmt, eine Behandlung erfährt, die
demagogisch wird, dann ist es für die Reichsregierung unmöglich, sich dem