Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

14 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 23.) 
Frankreich noch in England, ein ehedem so günstiges Absatzgebiet, finden 
wir eine Verwerthung für unser Schafvieh. 
3. Unsere hauptsächlichen technischen Nebengewerbe, für den Staat 
die einträglichsten Einnahmequellen, leiden schwer durch die fortgesetzten Ein- 
griffe der Gesetzgebung und die dadurch hervorgerufene Beunruhigung. Das 
Resultat hiervon ist, daß die Spiritus- und Zuckerfabrikation jede an ihrem 
Teile schwere Schäden zu verzeichnen haben. Der Weltmarkt geht der deut- 
schen Zuckerfabrikation durch die Herabsetzung und den bevorstehenden Fort- 
fall der Exportprämien verloren, da Frankreich, in richtiger Erkenntnis der 
landwirtschaftlichen Bedeutung dieses Nebengewerbes, seine Prämien erhöht 
hat und andere Staaten das Prämiensystem beibehalten. Für den Export 
von Spiritus ist uns der spanische Markt fast ganz verloren gegangen, und 
ist eine Wiedergewinnung desselben nach Lage der Verhältnisse nicht zu er- 
warten. Dieser Niedergang unseres Spiritusexports nach Spanien ist aus 
folgender Tabelle ersichtlich: 
Die deutsche Spritausfuhr nach Spanien (aus dem deutschen Zoll- 
gebiet) betrug im Jahre: 
1885 51,0 Mill. Liter 
1886 . . . 51,2 „ „ 
1897 . . . 27,4 „ „ 
1888 . . . 14,3 ,, ,, 
1889 . . . 13,6 „ „ 
1890 . . . 20,7 ,, „ 
1891 8,7 „ „ 
1892 (11 Monate) . . 0,72 „ „  
Beiden Nebengewerben ist es eigen, daß sie die Nährmutter für den 
ländlichen Arbeiterstand und für eine blühende Maschinenindustrie sind, 
ganz abgesehen davon, daß, zumal auf den vielen leichten Böden des Ostens, 
eine Bodenrente und eine Erhaltung der ohnehin dort dünnen und armen 
Bevölkerung ohne intensiven Kartoffelbau nicht möglich ist. 
4. Neben der darniederliegenden Rentabilität der Betriebe aus Korn- 
bau, Viehzucht und den wesentlichen landwirtschaftlichen technischen Gewerben 
wird unsere Arbeit von einer weiteren Reihe schwerer Mißstände auf dem 
Gebiete des öffentlichen Rechts andauernd geschädigt, wenngleich dankbar- 
lichst anerkannt wird, daß nach nahezu. 30 jährigen vergeblichen Bitten seitens 
des ländlichen Grundbesitzes Euerer Majestät hohe Regierung im Begriffe 
steht, die schreiende Ungerechtigkeit der Doppelbesteuerung in Preußen im 
Sinne ausgleichender Gerechtigkeit zu beseitigen. Insbesondere müssen wir 
das Fortbestehen folgender bedeutsamer Schäden auf diesem Gebiete beklagen. 
a) Die östlichen Landesteile leiden besonders schwer durch die Wir- 
kung des Unterstützungswohnsitzgesetzes, Hand in Hand mit einer schranken- 
losen Freizügigkeit. Das amtliche statistische Material hat hier die härteste 
Benachteiligung der durch Klima und Lage ohnehin schon unter schwierigen 
Verhältnissen arbeitenden östlichen Provinzen, gegenüber glücklicheren Teilen 
Deutschlands, dargelegt, wie Euere Majestät allergnädigst ans den Verhand- 
lungen des königlichen Landesökonomiekollegiums und des deutschen Land- 
wirtschaftsrats zu ersehen geruhen wollen. Nach dem offiziellen Bericht über 
die 20. Plenarversammlung des deutschen Landwirtschaftsrats bestehen in 
Preußen überhaupt 47,114 Armenverbände. Von diesen Verbänden zahlen 
2562 Verbände über 300 pCt. der Klassen- und Einkommensteuer an Armen- 
steuern, während 15,363 überhaupt gar nicht zu einer Steuer herangezogen 
werden. Die so überaus schwer belasteten Verbände findet man aber nur 
im Osten der Monarchie. 
 
	        
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