52 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 6.—7.)
Konservativen mit der Opposition ein Vertagungsantrag abgelehnt
und der Schluß der Debatte beschlossen.
Bei der Abstimmung über § 1 wird der Antrag Huene mit
210 Stimmen gegen 162 abgelehnt.
Für denselben stimmen die Konservativen, die Reichspartei, die Polen
und die Nationalliberalen geschlossen, von dem Zentrum die Abgg. Frei-
herr von Huene, Graf Adelmann, Prinz Arenberg, Graf Ballestrem, Graf
Chamaré, von Gliszczynski, Lender, Graf Matuschka, Nels, Freiherr von
Pfetten, Dr. Porsch und von Reitzenstein; von den Freisinnigen die Abgg.
Broemel, Hinze, Maager, Meyer, Schröder und Dr. Siemens; von den
keiner Fraktion angehörenden Mitgliedern die Abgg. Ahlwardt, Liebermann
von Sonnenberg, Pickenbach, Prinz Corolath, Wisser, Roesicke und Thomsen.
Mit Nein stimmen geschlossen die Sozialdemokraten und die Volkspartei,
von den Freisinnigen und dem Zentrum die große Mehrheit. Außerdem
die Abgg. Dr. Boeckel, Werner, Zimmermann, Winterer, Guerber, Simonis,
Lang-Schlettstadt, Johannsen und Langerfeldt.
Der Abstimmung enthält sich: Ruhland.
Krank sind: Brandenburg, Freiherr von Dalwigk-Lichtenfels, Eberty,
Haerle, Dr. Ruge, Dr. Freiherr Schenck von Stauffenberg, Stephan.
Beurlaubt sind: Dr. Baumbach (Berlin), Freiherr von Dietrich,
Dr. Petri, Dr. Witte.
Entschuldigt sind: Fürst von Bismarck, Dr. von Dziembowski-
Pomian, von Schalscha.
Ohne Entschuldigung fehlen: Delles, Fischer, Lutz, Manges, Dr.
North.
Der Reichstag wird aufgelöst.
6. Mai. Spaltung der deutsch-freisinnigen Fraktion.
Nach der Auflösung des Reichstags hält die Fraktion eine
Sitzung ab, in der der Abg. Richter beantragt, daß das Verhalten
der freisinnigen Abgeordneten, die für den Antrag Huene gestimmt
haben, mit der politischen Gesamthaltung der Partei nicht vereinbar
sei. Im Falle der Ablehnung seines Antrages erklärt der Antrag-
steller, aus der Fraktion ausscheiden zu wollen. Der Antrag wird
mit 27 gegen 22 Stimmen angenommen. Darauf wird eine Kom-
mission eingesetzt zur „friedlichen Auseinandersetzung über die ge-
meinsamen Angelegenheiten“ der beiden Gruppen. Die eine nimmt
den Namen „freisinnige Volkspartei“, die andere „freisinnige Ver-
einigung“ an. Folgende 22 Fraktionsmitglieder stimmen gegen den
Richterschen Antrag: Haenel, Bamberger, Barth, Brömel, Rickert,
Schrader, Dohrn, Hinze, Gutfleisch, Wilbrandt, Funck, Pachnicke,
Althaus, Seelig, Horwitz, Goldschmidt, Maager, Alexander Meyer,
Siemens, Koch, Berling, Lorenzen.
7. Mai. (Berlin.) Richter, als Führer der „freisinnigen
Volkspartei“ und Payer als Führer der süddeutschen Volks-
partei erlassen einen gemeinschaftlichen Wahlaufruf.