Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

HBas Heuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober Ende.) 115 
in der That ein Staatsgeheimnis enthüllt ist. Das wäre nur dann der 
Fall, wenn eine Abmachung vorgelegen hätte, die im Widerspruch zu den 
Bestimmungen des Dreibundes stand. Dies trifft aber keineswegs zu.“ 
„Münchener Neueste Nachr."“: Gegenüber der Behauptung der 
„Hamb. Nachr.“, Graf Caprivi habe das Einverständnis mit Rußland im 
Jahre 1890 trotz Rußlands Bereitwilligkeit nicht erneuert, können wir in 
Bestätigung unserer hieran sofort geäußerten Zweifel auf das bestimmteste 
versichern, daß in diesem Punkte das Hamburger Blatt falsch berichtet 
worden ist. Das kann nicht überraschen; denn daß Fürst Bismarck über 
Thatsachen aus der Zeit nach seinem Rücktritt kein authentisches Material 
besitzt, liegt auf der Hand. Es steht fest, daß Graf Caprivi nicht so gün- 
stige Beziehungen zu Rußland vorgefunden hat, wie Fürst Bismarck nach 
dem Maßstabe seiner Bemühungen um diese annimmt. 
„Münch. Allgem. Ztg.“: Wenn es dem Fürsten Bismarck ge- 
lang, sich der wohlwollenden Neutralität Rußlands zu versichern für den 
Fall, daß Frankreich allein den Vorstoß gegen Deutschland wagen sollte, 
und dafür seinerseits Rußland dasselbe Zugeständnis machte, falls es von 
irgend einer Macht angegriffen werden sollte, so hat er damit Vorsorge ge- 
troffen für politische Situationen und Konstellationen, die den Dreibund 
als solchen gar nichts angingen und ihn schlechterdings nicht in Funktion 
treten ließen. Er hat vielmehr sein eigenes Werk nur ergänzt, und zwar 
in einer Weise, die ebenso wie der Dreibund selbst keinem anderen In- 
teresse diente, als dem des Friedens. Es ist also schwer verständlich und 
jedenfalls ungerechtfertigt, wenn einzelne Wiener Blätter wie z. B. die 
„N. Fr. Pr.“, in die Bewunderung der Genialität des Fürsten Bismarck 
Ausdrücke einer im tiefsten verletzten Empfindlichkeit mischen und sich stellen, 
als wäre aller Grund vorhanden, die Zukunft des Dreibunds für ernstlich 
bedroht zu halten. 
Die „Post“: Fürst Bismarck habe die Enthüllungen veranlaßt „aus 
patriotischer Sorge um die Bewahrung Deutschlands vor großen Gefahren, 
und um selbst auf die Gefahr von Mißdeutung hin ein für Jedermann 
sichtbares warnendes Fanal aufzustecken“. 
Die „Badische Landesztg.“ betrachtet den russischen Traktat als 
„wertvolle Ergänzung des Dreibundes“ und bewundert die Bismarck'sche 
Genialität, die eine dreifache Sicherheit für die Erhaltung des europäischen 
Friedens zu schaffen wußte. 
„Kons. Korr.“: Ob nun die „Hamburger Nachrichten“ korrekt ge- 
handelt haben, als sie die obigen bisher unbekannten Thatsachen mit- 
teilten, darüber haben wir nicht zu entscheiden. Das aber wissen wir, daß 
Fürst Bismarck das unbedingte Vertrauen verdient, daß er mit dieser Ver- 
hffentlichung dem Vaterlande und der Monarchie hat nützen wollen. Liegt 
doch dem großen Kanzler keine Sorge mehr am Herzen, als die für das 
Wohl des Deutschen Reiches, und gerade die neueste Veröffentlichung, deren 
Spitze sich gegen die jetzt allseitig zugegebenen Mißgriffe des Grafen von 
Caprivi richtet, beweist, wie wertvoll sein NRat, wie beherzigenswert seine 
Warnungen heute noch sind. 
Der „Hamb. Korresp.“ erwartet, daß man sich in Wien und Rom 
an nachstehende Sätze aus der Rede des Grafen Caprivi vom 28. November 
im Reichstage erinnert: „Man hat der jetzigen Regierung den Vorwurf ge- 
macht, wir hätten den Draht zerrissen, der uns mit Rußland verbunden 
hätte. Dem widerspreche ich ganz bestimmt. Wir haben alle Sorgfalt 
darauf verwendet, diesen Draht zu erhalten; wir wünschen nur nicht, daß 
er uns den Strom aus denjenigen Leitungen nimmt, die uns mit Oester- 
reich-Ungarn und Italien verbinden.“ 
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