134 JNos Veuische Reic und seine einjelnen Glieder. (November 25.)
für die Ausständigen gesammelt, in Hamburg verbietet der Senat die Haus-
sammlungen (14. Dezember).
Die Presse beschäftigt sich lebhaft mit dem Ausstande. Die konser-
vative, mittelparteiliche, antisemitische und freisinnige steht durchaus auf
Seiten der Rheder. Die Sache der Ausständigen vertritt außer der sozial-
demokratischen fast nur die „Zeit“. Viele Blätter, wie „Hamb. Nachr.",
„Berl. Neueste Nachr." behaupten, der Ausstand sei von englischen
Rhedern künstlich ins Werk gesetzt, um die deutsche Konkurrenz zu schädigen,
andere weisen darauf hin, daß ein Sieg der deutschen Arbeiter auch die
englischen zu höheren Lohnforderungen anstacheln würde; übrigens stünden
Arbeiter wie Arbeitgeber mit ihren englischen und französischen Genossen in
internationaler Verbindung. (Näheres über den Streik in der „Sozialen
Praxis“ 1896, Nov., Dez.)
25./26. November. (Preuß. Abgeordnetenhaus.) Erste
Beratung des Gesetzentwurfs, betr. Tilgung von Staatsschulden
und Bildung eines Ausgleichsfonds.
Finanzminister Miquel: Der Gesetzentwurf ist in der Presse in
seiner Bedeutung und in seiner Wirkung vielfach unrichtig dargestellt worden.
Man hat ihn charakterisiert als eine wesentliche Aenderung in unserer bis-
herigen Finanzgebahrung, als eine Schmälerung der konstitutionellen Rechte
der Landesvertretung und als einen heimlichen Versuch, einen Zuschlag zu
den direkten Steuern zu erheben. Davon ist nichts wahr. Der Gesetzent-
wurf ist nur ein bescheidener Versuch, hier und da hervorgetretene Mängel
zu beseitigen. Ich kann nicht einmal behaupten, daß der Entwurf not-
wendig sei zur Erhaltung eines guten Finanzzustandes. Es ist aber eine
zweckmäßige und nützliche Maßregel für die Zukunft und Gegenwart, die
man nicht schenen sollte. Der erste Teil des Entwurfes bezieht sich auf die
Frage der Schuldentilgung, für welche eine gesetzliche feste Grundlage in
Bezug auf das zu tilgende Minimum geschaffen werden soll. In Preußen
ist die Theorie, daß man Schulden nur tilgt, wenn man Ueberschüsse hatte,
entstanden aus dem mißverstandenen Vorgehen bei der Konsolidation der
Staatsanleihen, welches man dahin auffaßte, daß man mit der Schulden-
tilgung ganz aufhören wollte. Man wollte aber damals nur die Ver-
schiedenartigkeit der Schulden, die gewachsen waren durch die Annexionen,
beseitigen. Wir waren damals im Defizit, und die 4½ prozentigen Konsols
standen damals unter pari. Damals hatten wir eine Schuldentilgung von
2 pCt. Der Finanzminister mußte damals die höherstehenden Schuldentitel
zurückzahlen und konnte die neuen Anleihen nicht über pari begeben. Die
Staatsschuld betrug 1272000000 „X, davon wurden nur 607 Millionen
der Konsolidation unterworfen, und der damalige Finanzminister protestierte
ausdrücklich dagegen, daß er in Zukunft nur aus den Ueberschüssen Til-
gungen vornehmen werde. In demselben Sinne sprach sich ein Vertreter der
damaligen Mehrheit, der Abg. v. Benda, aus. Abg. Virchow vertrat ebenfalls
den Standtpunkt, daß der Staat eine gesetzlich festgelegte Schuldentilgung
haben müsse; die bloße eventuelle Tilgung aus Ueberschüssen sei verwerflich
und verderblich. Nach einer Polemik gegen den Abg. Richter, der die Vor-
lage als Automaten bezeichnet habe, führt der Minister weiter aus: Die
eigentliche Schuldentilgung habe angeknüpft an das Ergebnis der Eisen-
bahnüberschüsse und an den bekannten Antrag Hammacher, der die Erspar-
nisse bei Amortisationen von Eisenbahnobligationen für die Schuldenzahlung
bestimmte. Diesen Tilgungen aber, die als auf dem Etat beruhend jeder
Zeit hätten wegfallen können, müsse jetzt das System der gesetzlich geregelten