Das Veesche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 30.—Dez. 4.) 141
Wirkung. Wir haben 1895/96 die größte Kartoffelernte nächst der des Jahres
1893 gehabt. Die Kartoffeln und die Melasse haben einen so niedrigen
Preis wie seit 1887 nicht gehabt. Trotzdem hat sich der Bestand an Brannt-
wein am Schluß des Betriebsjahres 1895 96 nur um 15000 Hektoliter er-
höht, und im Laufe des Monats Oktober ist die Abnahme des Bestandes
erheblich größer gewesen als im vorigen Jahre. Trotz dieser preisermäßi-
genden Faktoren hat der Preis in Berlin auf 37 gestanden, während er
sonst nur auf 34 stand. Also die Branntweinsteuernovelle hat die Erwar-
tungen erfüllt, welche an sie geknüpft wurden. Aus der Stempelsteuer von
Wertpapieren werden wir ein Mehr von 1 Million erzielen. Die Ueber-
weisungen würden im Ganzen das Etatssoll um 63 Millionen übersteigen;
es würde nach Abrechnung von 25 Millionen Mark für Schuldentilgung
den Einzelstaaten noch 37 Millionen zustehen. Die Anleihe beträgt diesmal
35¼ Millionen; sie wird sich aber durch die Mehreinnahmen und Minder-
ausgaben auf 26½ Millionen ermäßigen. Es wird also jetzt das erste
Etatsjahr sein, wo das Reich nicht mit neuen Schulden belastet wird. (Sehr
gut! links.) Im Reichsamt des Innern sind die Zuschüsse zur Alters= und
Invalidenversicherung um 3½ Millionen Mark erhöht worden. In der
Heeresverwaltung findet sich eine Mehrausgabe von 7 Millionen, darunter
die Ausgabe für die Umformung der vierten Bataillone. Im übrigen be-
ruhen die Mehrausgaben auf gesetzlichen Verpflichtungen, namentlich rühren
sie noch her von der Heeresverstärkung von 1893. Einmalige Ausgaben
werden bei der Heeresverwaltung in Höhe von 6¼/ Millionen verlangt,
während 4½ Millionen vorbehalten sind. Für die Marine und zwar für
Schiffsbauten u. s. w. werden mehr gefordert 50 ½ Millionen, aber für
Neubauten nur 10 Millionen und die Zukunftsbelastung ist geringer als
die für den laufenden Etat. Abgesehen von einem Aviso wird nur Ersatz
gefordert für abgegangene oder in Verlust geratene Schiffe und außerdem
zwei neue Kreuzer auf Grund einer früheren Denkschrift. Der Staatssekretär
geht auf die Einnahmen des Etats für 1896.97 ein, erwähnt dabei auch
die Postbauten und spricht die Hoffnung aus, daß nunmehr ein gewisser
Beharrungszustand hinsichtlich der Neubauten eintreten werde. Die Ein-
nahmen aus der Reichsbank sind niedriger veranschlagt worden und zwar
statt nach dem dreijährigen nach dem zweijährigen Durchschnitt. Das An-
leihesoll ist um 21 Millionen höher angenommen; das thatsächliche Plus
beträgt aber 30 Millionen. Die größte Mehrausgabe beruht auf der Ver-
besserung der Beamtenbesoldung. Man könnte sich auf den formalen Stand-
punkt stellen, daß keine Veranlassung vorliegt, die Besoldung zu erhöhen,
solange sich für die staatlichen Dienste noch zahlreiche Bewerber finden.
Aber dieser Standpunkt ist ethisch verwerflich und aus dienstpragmatischen
Gründen gefährlich Für eine ganze Reihe von Lebensbedürfnissen sind die
Preise allerdings niedriger geworden, aber mehr in der Großhandelsstatistik
als im direkten Konsum. Die Preise anderer notwendiger Lebensbedürfnisse
sind gestiegen, namentlich die Wohnungepreise. Der Hauptgrund für die
Gehaltsverbesserungen war aber der, daß die Lebenshaltung des deutschen
Volkes im allgemeinen gestiegen ist, und dem muß man bei der Besoldung
der Beamten Rechnung tragen. Es lag auch für die verbündeten Regie-
rungen ein formaler Grund vor. Preußen hat seine Beamten besser ge-
stellt; bei der nachbarlichen Thätigkeit der Reichsbeamten konnten diese nicht
ausgeschlossen werden, schon deswegen nicht, weil die preußischen Offiziere
ihre Besoldungen vom Reiche beziehen. Die Resolution, welche der Reichs-
tag in seiner letzten Tagung angenommen hat, ging dahin, die Ungleich-
heiten der Besoldungen auszugleichen, welche 1890 nicht an der Besoldungs-
aufbesserung beteiligt sind. Die Besoldungsaufbesserungen fahren also da