148 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 11.—12.)
Erwartung ausgesprochen, daß 1. die Rechtsverhältnisse der Berufsvereine,
2. die Verträge, durch welche jemand sich verpflichtet, einen Teil seiner gei-
stigen oder körperlichen Arbeitskraft für die häusliche Gemeinschaft, ein
wirtschaftliches oder ein gewerbliches Unternehmen eines anderen gegen einen
vereinbarten Lohn zu verwenden, 3. die Haftung des Reiches für den durch
Reichsbeamte in Ausübung der Amtsbefugnisse verursachten Schaden für
den Fall, daß der Ersatz des Schadens von den Beamten nicht zu erlangen
ist, 4. das Bergrecht, 5. das Jagd= und Fischereirecht, 6. das Versicherungs-
recht, 7. das Verlagsrecht, 8. das Wasserrecht mit Einschluß der Vorschriften
über Bewässerung und Entwässerung für das Deutsche Reich baldthunlichst
einheitlich geregelt werden. — Diese wird, nachdem sich namentlich Abg.
v. Kardorff (RP.) dagegen, Abg. v. Bennigsen (nul.) und Abg. Spahn
(Z.) dafür erklärt haben, gegen die Stimmen der Konservativen und der
Reichspartei angenommen. — Abgelehnt wird gegen die Stimmen der
Sozialdemokraten die Resolution Auer (Soz.): „baldtunlichst eine Novelle
zum Gewerbegerichtsgesetz vorzulegen, durch welche die Zuständigkeit der
Gewerbegerichte auf Streitigkeiten aller Arbeitnehmer ausgedehnt wird, die
einen Teil ihrer geistigen und körperlichen Arbeitskraft für die häusliche
Gemeinschaft, ein gewerbliches oder ein wirtschaftliches Unternehmen gegen
Entgelt verwenden.“ — Einstimmig wird sodann angenommen die Resolution
Bachem (3.), den Reichskanzler zu ersuchen, bei den verbündeten Regie-
rungen zu erwirken, daß sie die Lehrpläne ihrer Landesuniversitäten dahin
umgestalten, daß die Vorlesungen über das Bürgerliche Gesetzbuch den
Mittelpunkt der privatrechtlichen Vorlesungen bilden.
. 11. Dezember. Die „Hamb. Nachr.“ bemerken zu den
Außerungen Rudinis über ein angebliches russisch-italienisches Ab-
kommen (vgl. Italien):
Die Erklärung des italienischen Ministerpräsidenten di Rudini werde
kaum genügen, die Annahme zu entkräften, daß eine russisch-italienische
Uebereinkunft bestanden habe und noch bestehe. Wenn dieselbe nicht von
Rudini im Jahre 1891 unterzeichnet worden sei, dann könne dies zu an-
derer Zeit oder von einem anderen Staatsmann geschehen sein. „Jeden-
falls“, so fährt das Blatt fort, „sind wir überzeugt, daß eine Ueberein-
kunft, laut welcher Rußland als Aequivalent für Italiens Zugeständnisse
in der Orientpolitik die Verpflichtung übernimmt, unter gewissen Voraus-
setzungen zu gunsten Italiens in Paris Mediation zu üben, tatsächlich er-
folgt ist, und wir sind sehr weit davon entfernt, darin eine Verletzung der
Dreibundspflichten Italiens zu erblicken. Es kann den Verbündeten des
Königreiches nur erwünscht sein, wenn es gute Beziehungen zu anderen
Großmächten unterhält und sich eine Rückendeckung sichert, welche mit seinen
Verpflichtungen gegen Deutschland und Oesterreich-Ungarn in keiner Weise
kollidiert und die erst dann zu realisieren wäre, nachdem Italien seinen
Allianzverpflichtungen entsprochen hätte.
12. Dezember. Das Preuß. Abgeordnetenhaus genehmigt
in zweiter Beratung den Vertrag mit den Niederlanden, betr. die
Unterhaltung des Seeufers auf Borkum (dritte Beratung 14. De-
zember) und verweist einen Antrag Weyerbusch (nl.) auf Ab-
änderung des Kommunalabgabengesetzes an eine Kommission.
12. Dezember. (Württemberg.) Die Kammer genehmigt
die Konversion von 315 Millionen vierprozentiger Staatsanleihe.