Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 17.—30.) 151
Kennzeichen (Kreuz, Unterstreichen u. s. w.) zu bevorzugen und den Wahl-
zettel in ein Kouvert zu stecken, das er alsdann an der Wahlurne abgibt.
Gezählt wird dann zunächst, wie viele Listen von jeder Partei nicht durch-
gestrichen wurden. Danach bestimmt sich der verhältnismäßige Anteil der
Partei an der Gesamtzahl der dem Wahlkreis zustehenden Abgeordneten,
und zwar berechnet nach dem belgischen Verfahren des Genfer Professors
d'Houdt. Zweitens wird gezählt, wie viele Bevorzugungen die einzelnen
Kandidaten der jeweiligen Parteilisten tragen, und danach bestimmt sich die
Reihenfolge, in der sie in die Rechte der Abgeordneten einrücken. Die
Proportionalwahl der 21 würde einen besonderen, etwa drei Wochen nach
der allgemeinen Wahl stattfindenden Wahlgang bilden. („Tägl. Rundsch.")
17. Dezember. (Berlin.) Der Kaiser spricht bei einem
parlamentarischen Essen des Reichskanzlers seine Freude über die
energische Haltung der Hamb. Arbeitgeber gegen die Ausständigen
aus und hofft, daß sich in Zukunft Koalitionen der Arbeitgeber
bilden würden, um allen Verhetzungen und Verführungen entgegen-
zutreten. Solche Koalitionen würden auch für die Arbeiter segens-
reich sein.
21. Dezember. (Bayern.) Der Obermedizinal-Ausschuß
spricht sich gegen die Zulassung der Real-Gymnasial-Abiturienten
zum medizinischen Studium aus und befürwortet eine 10 semestrige
Dauer des medizinischen Studiums.
25. Dezember. Fürst Bismarck über ein neues Kartell.
Der Redakteur der „Deutschen Ztg.“", Friedrich Lange, hatte den
Plan eines Kartells aus Konservativen, Bund der Landwirte, National-=
liberalen und der deutschsozialen Reformpartei zur Bildung einer großen
Deutschpartei dem Fürsten Bismarck mitgeteilt, worauf der Fürst antwortet:
„Geehrter Herr! Ich danke Ihnen für die Übersendung des Ihrem
Schreiben vom 21. d. M. beigefügten Artikels, in dem Sie wohlwollend
meiner gedenken. Ich glaube, daß der von Ihnen empfohlene Zusammen-
schluß der vier Parteien für unsere politische Entwicklung von großem Nutzen
sein würde, befürchte aber, daß die Verwirklichung an dem Selbständigkeits-
gefühl der Fraktionen scheitern wird. gez. v. Bismarck."
Ende Dezember. Die deutsche Reichsregierung lehnt den
neuen für Deutschland ernannten chinesischen Gesandten Huang-
Tsun-Schien ab.
26. Dezember. (Berlin.) Dr. Emil Dubois-Reymond,
Professor der Physiologie, 1.
30. Dezember. (Berlin.) Die Produktenbörse beschließt
aus Anlaß des Inkrafttretens des neuen Börsengesetzes ihre Auf-
lösung.