Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

190 Großbritannien. (Februar 25.— 26.) 
ziehungen zu Deutschland und zu der Südafrikanischen Republik im An- 
schluß an Salisburys Ausführungen (S. 188): Welche Grundlage bestand 
für jene Erklärung Lord Salisburys, daß Transvaal die Hilfe auswärtiger 
Mächte nachgesucht habe? Es ist nichts zur Rechtfertigung dieser Erklärung 
anzuführen, als ein Bericht des britischen Agenten in Pretoria vom 
31. Dezember, wonach dieser mitteilte, aus guter Quelle höre er, daß ange- 
sichts des Eindringens einer bewaffneten Streitmacht in das Gebiet der 
Südafrikanischen Republik Präsident Krüger die Einmischung Frankreichs 
und Deutschlands nachgesucht habe, und daß die Konsuln dieser Länder 
jenen Wunsch Krügers ihren Regierungen telegraphisch mitgeteilt hätten. 
„Es gibt zwei Parteien, die das Eingeständnis dieser Thatsache hätten machen 
können", führte der Redner sodann aus, „nämlich die deutsche Regierung 
und die Regierung der Südafrikanischen Republik.“ Aber die heute be- 
richtete Erklärung des deutschen Staatssekretärs Freiherrn von Marschall 
besagt: „Die Behauptung, daß Präsident Krüger unsere Intervention nach- 
gesucht habe, ist ein Irrtum; ich weiß nichts von einem solchen Schritte." 
Diese Aeußerung ist die unmittelbare Widerlegung der Erklärung Lord 
Salisburys in Betreff des wesentlichsten Punktes derselben. Meines Er- 
achtens ist die Erklärung des Premierministers die unvorsichtigste und rück- 
sichtsloseste; sie ist, wenn sie, wie der deutsche Staatssekretär erklärt hat, 
nicht begründet ist, geeignet, die jetzige Lage zu verschlimmern. Ich zögere 
nicht zu sagen, daß jeder, der zur Förderung übler Gesinnungen zwischen 
England und Deutschland beiträgt, kein Freund des Friedens ist.“ 
25. Februar. (London.) Prozeß Jameson. 
Der Anführer des Flibustierzuges gegen die Südafrikanische Repu- 
blik, Dr. Jameson, trifft in London ein und wird — von der Menge 
mit Hochrufen empfangen — sogleich vor Gericht gestellt. Die Anklage 
lautet gegen Jameson und fünfzehn seiner Offiziere darauf, Krieg gegen 
einen befreundeten Staat geführt zu haben. Nach kurzem Verhör wird die 
Sache auf 14 Tage vertagt. Alle Angeklagten werden gegen Bürgschaft 
von je 2000 Pfd. Sterl. auf freiem Fuß belassen. 
26. Februar. (Lewes.) Rede Goschens über die englische 
Politik. Verhältnis zum Kontinent; angebliche Isolierung. 
In einer Bersammlung unionistischer Wähler führt der erste Lord 
der Admiralität Goschen aus: Die Ansicht, daß England mit der Politik 
des Kontinents nichts zu thun habe, beruhe auf einem Irrtum. Unter- 
handlungen zur Herbeiführung eines Vergleichs oder Schaffung eines Schieds- 
gerichtes wären zwar auch von Bedeutung, aber wehe der Macht, welche 
nicht den Mut oder die Mittel besäße, nachdrücklich ihre Meinung zu ver- 
treten. Erst kürzlich seien einige Vorfälle, welche leicht zu einem Streite 
hätten führen können, auf dem Wege der Verhandlungen erledigt worden. 
..... Die Rechte Siams würden in allen Teilen dieses Reiches unange- 
tastet bleiben, es habe keine Teilung stattgefunden, noch die Schaffung 
rivalisierender Einflußsphären. Das Abkommen habe einfach einen reinen 
Pufferstaat geschaffen und beiden Ländern, England wie Frankreich, die 
Möglichkeit einer Versuchung zur Gebietserweiterung genommen. Einige 
Streitfragen seien aber anderwärts noch unerledigt geblieben. Ohne diplo- 
matische Geheimnisse zu verraten, könne er erwähnen, daß ein hochbedeut- 
samer deutscher Staatsmann, jedoch nicht etwa Fürst Bismarck, in ver- 
gangenen Jahren überzeugt gewesen sei, England werde es niemals wagen, 
seine Interessen im Auslande mit Gewalt zu schützen, und könne zu Kriegs- 
operationen nur durch einen Angriff auf das Zentrum seiner Interessen 
 
	        
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