Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

192 Greßbritannien. (März 3.—5.) 
sichten wieder, welche die englische Regierung nach Erwägung der Sache 
über den Gegenstand hege.“ 
3. März. (Unterhaus.) Erklärung über die armenische 
Frage. Haltung der einzelnen Mächte. Teilung der Türkei. 
Abg. Sam. Smith beantragt, die Regierung aufzuforden, mit Ruß- 
land und Frankreich eine Vereinbarung zu treffen zur Herbeiführung einer 
Teilung des türkischen Reiches in Europa und Asien. Grund: die Türkei 
in Europa und Asien sei der Schauplatz von Greueln. Im Laufe der De- 
batte wird der Antrag auf Herbeiführung einer Intervention gemildert. 
Unterstaatssekretär des Auswärtigen Curzon: Die Regierung sei bereit, 
den Antrag Smith in seiner jetzigen gemilderten Form anzunehmen. Allein 
es dürfte daraus nicht geschlossen werden, daß, wenn der Antrag von wei- 
teren Schritten zur Besserung der Lage der Armenier spreche, die Regierung 
darunter verstehe, daß ein Ergebnis durch Waffengewalt herbeigeführt 
werden könne. Man möge die platonische Fassung des Beschlußantrages 
Smith mit den noch im November und Dezember v. J. gegen die Regie- 
rung gerichteten heftigen Anklagen vergleichen. Damals habe man darnach 
gelechzt, daß Lord Salisbury von der Forcierung der Einfahrt in die Dar- 
danellen, von der Abberufung des englischen Botschafters in Konstantinopel 
und der Entthronung des Sultans reden sollte. Solche thörichten Ansichten 
seien hoffentlich jetzt ein= für allemal abgethan. Lord Salisbury habe, als 
er das Ministerium übernahm, gefunden, daß das Zusammengehen mit Ruß- 
land und Frankreich, welches aus den besonderen Verhältnissen hervorging 
und für welches gute Gründe vorlagen, nicht wirksam genug für den Zweck 
sei; er habe deshalb die Wiederherstellung des europäischen Konzerts ver- 
sucht. Dasselbe habe sich aber nicht so wirksam erwiesen, als man hoffte, 
da Oesterreich-Ungarn nur darein willigen wollte, daß die Aktion durch den 
Sultan und nicht trotz des Sultans erfolge. Rußland habe den Stand- 
punkt vertreten, daß man der Aufregung Zeit lassen solle, sich zu legen, 
und daß man geduldig den Erfolg der Bemühungen des Sultans zur 
Durchführung von Reformen abwarten solle. Ein isoliertes Vorgehen Eng- 
lands würde unpraktisch gewesen sein, und es hätte das Risiko weiterer 
Gefahren für die christliche Bevölkerung und die Gefahr eines europäischen 
Krieges in sich geschlossen. Obschon keine Bürgschaft dafür vorhanden sei, 
dürfe man nicht annehmen, daß das Reformprojekt nicht ausgeführt würde. 
Die englische Regierung habe ihr Bestes gethan, um die Lage der Armenier 
zu bessern, und werde auch in Zukunft ihre Bemühungen nicht einstellen. 
2./5. März. (Unterhaus.) Beratung und Genehmigung 
des Marinebudgets. 
Der Erste Lord der Admiralität Goschen legt das Flottenprogramm 
vor. Es sollen gebaut werden: fünf Schlachtschiffe, vier Kreuzer 1. Klasse, 
drei Kreuzer 2. Klasse, sechs Kreuzer 3. Klasse und 28 Torpedozerstörer. 
Diese Schiffsbauten sollen im Jahre 1899 vollendet sein. Die Aufwendungen 
für dieselben werden zehn Millionen Pfund Sterling betragen und auf drei 
Jahre verteilt werden. Außerdem sind im Bau 8 Schlachtschiffe, 21 Kreuzer, 
40 Torpedozerstörer. Ueber die Mannschaft erklärt der Lord, England 
könne alle Schiffe bemannen, welche morgen zur Abfahrt fertig sein könnten, 
wenn es 5000 Reservisten in Dienst stelle. Und wenn jedes seetüchtige Fahr- 
zeug in Dienst gestellt würde, so könne die Bemannung mit Einberufung 
von 11000 Reservisten vollzogen werden. England habe jetzt bei weitem 
mehr Schiffe in Dienst als je zuvor in Friedenszeiten, er glaube, fast eben- 
soviel als alle übrigen europäischen Mächte zusammen. Die Politik der
	        
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