226 Frankreich. (Oktober 25.—27.)
das Vaterland und gegen das Volk sowie gegen die Kirche gerufen. Diese
Lektionen haben dem Lande 6 Millionen gekostet, aber sie seien durchaus
nicht zu teuer, wenn sie Frankreich etwas nützen könnten. — Die radikalen
und sozialdemokratischen Blätter verlangen die Veröffentlichung des russisch-
Hankolhen Vertrages und kündigen eine Interpellation in der Kammer
ierüber an.
25. Oktober. (Carmaux.) Unruhen unter den Glas-
arbeitern.
Die Glasarbeiter hatten im vorigen Jahre nach ihrer Niederlage
im Ausstande (vgl. 1895 S. 260, 261) beschlossen, eine eigene Glasfabrik
zu errichten. Diese Fabrik wird in Albi errichtet. Die Arbeiter in
Carmaux sind mit dieser Ortswahl unzufrieden und in einer zu dieser
Frage einberufenen Versammlung kommt es zu Thätlichkeiten, so daß die
Versammlung aufgelöst wird.
26. Oktober. (Paris.) Challemel-Lacour, früher Senats-
präsident, 70 Jahre alt, k.
27. Oktober. Zusammentritt der Kammern. Reden über
den Besuch des Zaren.
In der Kammer verliest der Präsident Brisson ein Schreiben des
Präsidenten der Republik, in dem dieser das Telegramm des Zaren aus
Pagny mitteilt. Brisson fügt hinzu: „Die Deputiertenkammer, welche
seit 1881 in feierlicher Weise die Sympathien Frankreichs für Rußland
bekundete, wird bei Eröffnung der Session dem erhabenen Herrscher Gruß
entbieten und an ihn sowohl wie die Kaiserin Wünsche für den Ruhm
ihrer Regierung und das Glück ihres Reiches richten wollen. Nach den
Kundgebungen in Kronstadt und Toulon haben die Oktober-Festtage die
Freundschaft zweier großen und stolzen Nationen sich von neuem festigen
sehen. Die Dichter, die Künstler, die Presse und das ganze Volk haben
diesen Einklang gefeiert. Die französische Demokratie hat bezeugt, daß
unsere Staatseinrichtungen weit davon entfernt sind den Geist der Folge-
richtigkeit, der Beständigkeit, Einheit und Einhelligkeit in ihren Zielen aus-
zuschließen. In Paris, dessen Größe und Reiz das befreundete Herrscher-
paar so tief empfunden und so zartfühlend gerühmt hat, hat die aus ganz
Frankreich herbeigeeilte Menge, das über ihr schwebende Bild des ganzen
Vaterlandes repräsentiert. Ein Herz, ein Wille! Welch' ein Schauspiel,
welche Lehre, welch' ein Quell des Vertrauens und der Hoffnung!"
Ministerpräsident Méline dankt Brisson für seine patriotischen
Worte. Die Kammer habe dadurch, daß sie den Worten ihres Präsidenten
einmütig beipflichtete, die Bedeutung dieser Kundgebung betonen wollen,
welche die Stellung Frankreichs dem Auslande gegenüber nur erhöhen
könne und gleichzeitig all die Kraft und die Autorität verleihe, welche
nötig sei, um im Namen Frankreichs zu sprechen.
Im Senat verliest der Präsident Loubet dasselbe Schreiben Faures
und führt in einer Ansprache aus: „Die Reise des russischen Herrscherpaares
habe Frankreich Gelegenheit gegeben, den schon alten Sympathien, welche
auf der Gemeinsamkeit der Gesinnung, der Bestrebungen und der Interessen
begründet seien, Ausdruck zu verleihen. Die Worte, welche in Cherbourg,
in Paris und in Chalons gefallen seien, hätten den Banden, welche beide
große Nationen umschlingen, die endgültige Weihe gegeben. Die Verbindung
habe bereits ihre wohlthätige, friedliche Wirkung ausgeübt und berechtige