Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

Frenkreich. (November 29.) 231 
29. November. (Carmaux.) In einer Versammlung der 
Glasarbeiter, in der die Deputierten Jaures und Pelletan sprechen 
wollen, kommt es zu blutigen Schlägereien, so daß die Gendarmerie 
eingreifen und die Versammlung auflösen muß. Die Deputierten 
werden bedroht. 
Dezember. (Deputiertenkammer.) Beratungen über die 
Verstärkung der Flotte. 
Im Budgetausschuß beantragt Abg. Lockroy (rad., früherer Marine- 
min.), für den Bau neuer Kriegsschiffe 200 Millionen Franks zu bewilligen, 
die auf vier oder fünf Betriebsjahre zu verteilen seien (1. Dez.). Am 9. 
erklärt Marineminister Besnard: Der Stand der Flotte sei nicht so un- 
günstig, wie man behaupte. Nichtsdestoweniger sei von der Regierung vor 
mehreren Monaten festgestellt, daß eine Vermehrung der Flotte erforderlich 
sei. Die Regierung beschäftige sich mit der Aufstellung eines Planes für 
Schiffsneubauten und werde, sobald dieser Plan fertiggestellt sei, das Par- 
lament um Bewilligung der für die Ausführung des Planes nötigen Geld- 
mittel ersuchen; die Regierung werde aber jeden Gedanken, sich die Mittel 
durch ein außerordentliches Budget bewilligen zu lassen, zurückweisen. 
Am 15. Dezember erklärt in der Kammer Berichterstatter Abg. Ker- 
égA es sei nötig, eine allgemeine Reorganisation und durchgreifende Um- 
gestaltungen vorzunehmen. Besonders thue es not, den Posten eines ersten 
Direktors für Neubauten zu schaffen; auch müsse die Rechnungsführung 
vereinfacht werden. Wenn plötzlich Verwickelungen entstünden, seien die 
Streitkräfte Frankreichs im westlichen Mittelmeere der Flotte des Dreibundes 
nicht gewachsen. Das Nordostgeschwader sei zu schwach; indessen werde die 
Kammer alle notwendigen Kredite bewilligen. Lockrohyh: Es sei notwendig, 
die drei großen Dienstzweige der Marine auseinanderzuhalten — Flotte, 
Werften, Rechnungswesen. Jeder Dienstzweig müsse seine selbständige 
Verwaltung haben. Marineminister Admiral Besnard verteidigt den 
Marineetat. Das Nordgeschwader sei zu schwach, jedoch fehlten die Kredite 
zu dessen Verstärkung. Die Flotte solle nicht erneuert, sie müsse jedoch 
unterhalten werden. Da sie die Zahl der Neubauten nicht vermehren könne, 
werde die Regierung den Wert der vorhandenen Gefechtseinheiten erhöhen. 
Ein Entwurf betreffend die Küstenverteidigung sei in Vorberatung. Redner 
betont, daß die französischen Panzerschiffe und Kreuzer denen anderer 
Nationen an Wert gleich sind. Die im Bau befindlichen Kreuzer werden 
dem jetzigen Stande des Fortschritts entsprechen; es werde ihnen Stärke, 
Gediegenheit und Schnelligkeit eigen sein. Die Marine arbeite; sie sei keine 
Feindin des Fortschritts, sie thue ihre Pflicht und werde dieselbe weiter 
thun. Abg. Lockroy stellt hierauf seinen Antrag auf Bewilligung von 
50 Millionen Franks zur Erneuerung des Flottenmaterials und zu Neu- 
bauten, die erste Rate eines Kredits, welche in drei aufeinanderfolgenden 
Budgetjahren 200 Millionen erreichen soll. Redner führt aus, der Antrag 
wolle die Marine in den Stand setzen, im Falle eines Krieges mit Vorteil 
zu kämpfen. Er, der die Lage kenne, wolle nicht, daß gegen ihn Vorwürfe, 
wie gegen die Männer von 1870, erhoben werden könnten. Marineminister 
Besnard: Es sei unmöglich, einen Kredit zu verlangen, ehe dessen Ver- 
wendung bestimmt sei. Ministerpräsident Méline: Die Regierung werde 
eine Vorlage Anfang 1897 einbringen. — Der Antrag Lockroy wird mit 
335 gegen 212 Stimmen abgelehnt.
	        
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