Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

Italien. (März 10.—17.) 235 
10. März. Neubildung des Kabinets. 
Es ist folgendermaßen zusammengesetzt: Rudini Ministerpräsident 
und Inneres, Ricotti Krieg, Brin Marine, Gastani Sermoneta Aeußeres, 
Senator Costa Justiz, Branca Finanzen, Colombo Schatz, Senator Perazzi 
öffentliche Arbeiten, Gianturco Unterricht, Guicciardini Ackerbau, Carmine 
Post und Telegraphie. 
13. März. Beileidskundgebungen des Deutschen Kaisers. 
Die „Opiniones" schreibt: Die zahlreichen Beweise herzlicher Zu- 
neigung, die Kaiser Wilhelm dem König Humbert und der italienischen 
Nation in traurigen Tagen gegeben hat, betrachtet Italien als eine neue 
Bekräftigung der allgemein anerkannten Wahrheit, daß ein politisches Bünd- 
nis ein internationaler Vertrag ist, der nicht nur den Interessen der Staa- 
ten, sondern auch den Empfindungen der Völker entspricht. 
Mitte März. Der Beginn der Friedensverhandlungen wird 
von den meisten Blättern mit Freude begrüßt, „Riforma“ und 
„Tribuna“ tadeln ihn lebhaft. 
17. März. (Deputiertenkammer.) Programmrede Ru- 
dinis. 
Ministerpräsident di Rudini gibt eine Erklärung ab, in der er 
zunächst der unglücklichen, aber tapferen, ohne jede Vorbereitung zur Schlacht 
geführten Armee in Afrika einen vertrauens= und hoffnungsvollen Gruß 
übermittelt. Dann sagt er, das vorige Kabinet habe nach der Schlacht 
vom 1. März erstens dem General Baldissera volle Freiheit gelassen, alle 
Maßregeln zu tressen, welche die Lage erheische, einschließlich der Aufgabe 
von Adigrat und Kassala, und zweitens am 8. März den General Bal- 
dissera angewiesen, über den Frieden unter den günstigsten Bedingungen 
zu unterhandeln. General Baldissera habe telegraphiert, daß er die zweite, 
noch nicht abgegangene Hälfte der Verstärkungen nicht mehr benötige. Das 
jetzige Kabinet werde die Friedensverhandlungen mit Besonnenheit und 
Würde fortsetzen. Das Kabinet glaube, daß es weitaus vorzuziehen sei, 
anstatt einen Vertrag abzuschließen, thatsächlich eine den italienischen In- 
teressen entsprechende Sachlage zu schaffen. Inzwischen würden die Feind- 
seligkeiten fortgesetzt werden. Das Kabinet werde niemals Ausdehnungs- 
politik treiben und wolle die Eroberung von Tigre nicht. „Wenn die Er- 
eignisse uns dahin führen sollten, einen Friedensvertrag festzusetzen, so 
würden wir keineswegs in denselben die Bedingung aufnehmen wollen, daß 
wir das Protektorat über Abessynien beanspruchen“ Der Ministerpräsident 
verlangt ferner einen Kredit von 140 Millionen Lire durch Aufnahme einer 
Anleihe im Inlande, deren Verzinsung nur zu einem sehr geringen Teile 
das Budget des laufenden Finanzjahres belasten würde, und ruft die Einig- 
keit der Kammer an. „Wir werden in der auswärtigen Politik wie bisher 
das weise Verhalten befolgen, welches uns diejenigen freundschaftlichen Be- 
ziehungen und Bündnisse verschafft hat, die wir unerschüttert und treu be- 
wahren werden. Wir bitten nicht um Ihr Vertrauen, wir werden uns 
bestreben, uns dasselbe zu verdienen.“ 
Imbriani: Wenn die Ehre Italiens auf dem Spiel stehe, so sei 
dies die Schuld derer, die den Krieg herbeigeführt hätten. Die Ehre des 
Heeres dagegen stehe unbefleckt da, es habe vollauf seine Pflicht gethan, und 
er hoffe, daß der Friede mit dem Negus nur der Anfang vom Ende der 
Kolonialpolitik überhaupt sei. Der frühere Kriegsminister Mocenni ver-
	        
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