Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

Italien. (Dezember 7.) 245 
seien Komplikationen in der Frage der Grenzbestimmung möglich, indem der 
Negus keinerlei Interesse habe, solche zu provozieren. Bezüglich der Aner- 
kennung der Unabhängigkeit Aethiopiens erinnert der Ministerpräsident an 
die Geschichte des Vertrages von Uccialli und sagt: es sei eine Illusion, zu 
glauben, Menelik hätte je das Protektorat anerkannt. Antonelli habe der 
Regierung wiederholt geraten, auf das Protektorat zu verzichten und sich 
erboten, den Negus Menelik dahin zu bringen, daß er bei Ablehnung des 
Protektorats kein anderweitiges Protektorat annehme. Der Ministerpräsident 
glaubt, daß dieses Ziel durch die Aufhebung des Vertrages von Uccialli 
und die Anerkennung der Unabbängigkeit Abessyniens erreicht sei. Was 
die Zukunft betrifft, so hätten die Redner anerkannt, daß heute nicht der 
Augenblick sei, definitive Entschlüsse zu fassen. Der Friede hatte zunächst 
die Wohlthat ins Land gebracht, daß ein klares Bild geschaffen und jene 
Ruhe möglich wurde, welche allein mannhafte Absichten einflößen könne. 
Das Land habe ein Recht, die Absichten der Regierung kennen zu lernen, 
welche dieselben find, die er 1891 entwickelte. Die Kolonie Erythräg bilde 
eine permanente Gefahr für das Land, infolgedessen müsse sie schrittweise aus 
einer militärischen Kolonie zu einer Handelskolonie umgeformt werden. 
Rudini glaubt nicht, daß es augenblicklich möglich sei, sich auf das Dreieck 
Massauah-Keren-Asmara zu beschränken, aber man könne jetzt nicht die beiden 
Elemente des afrikanischen Problems, die Grenzbestimmung und die Aus- 
lagen, welche beide dem Vorteile und der Sicherheit Italiens untergeordnet 
werden müssen, lösen. 
Am folgenden Tage wird der Antrag Imbriani über das Auf- 
geben von Erythräg zu beraten mit 148 gegen 26 Stimmen abgelehnt. 
7. Dezember. (Deputiertenkammer.) Visconti Venosta 
über den Streit mit Brasilien. 
Der Minister des Auswärtigen erklärt auf drei Anfragen über die 
Zwischenfälle in Brasilien, die erzielte Einigung befriedige vollständig die 
Forderungen Italiens. Die seitens der Regierung eingeleiteten Unter- 
suchungen hätten ergeben, daß die in Cafori (Sao Paulo) verhöhnte italie- 
nische Flagge keine offizielle, auf einem öffentlichen Gebäude gehißte Flagge, 
sondern eine private gewesen sei. Die brasilianische Regierung habe nach 
der Einleitung eines Strafverfahrens gegen die Schuldigen in einer offi- 
ziellen Note ihr lebhaftes Bedauern über den Zwischenfall ausgesprochen. 
Bezüglich der alten und neuen Reklamationen würde Italien ein Schieds- 
gericht angenommen haben, welches Garantien geboten hätte; die Schwie- 
rigkeit über Einzelheiten ein Abkommen zu treffen, habe jedoch die sofortige 
Lösung angemessener erscheinen lassen, nämlich die Bezahlung von 4 Mil- 
lionen Lire, welche durch die italienische Regierung zur Verteilung gelangen 
würden. Die brafilianische Regierung habe die sofortige Abberufung des 
italienischen Konsuls in Sao Paulo gewünscht, Italien habe aber dieses 
Ansinnen abgelehnt, da die Untersuchung die Haltung des Konsuls als 
durch die außerordentlichen Umstände erklärlich erscheinen ließ. Nachdem 
aber ein zufriedenstellendes Abkommen erzielt war, sei der brasilianischen 
Regierung mitgeteilt worden, daß in Sao Paulo ein Konsulat mit höherem 
Range errichtet werden solle. Das getroffene Abkommen habe die Geneh- 
migung des brasilianischen Kongresses erhalten; es könne daher die lange 
Reihe der zwischen beiden Regierungen schwebenden Differenzen als beige- 
legt betrachtet werden. 
7. Dezember. (Deputiertenkammer.) Vorlegung des 
Budgets.
	        
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