Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

Nebersicht der pelitischen Entwichelung des Jahres 1896. 329 
durch das Zurückweichen zu demoralisieren, und um dem Feinde 
Respekt einzuflößen und ihn von einem Angriff auf die Abziehen- 
den abzuhalten. Der Angriff, nach dem Urteil des Kriegsgerichts 
schlecht geleitet, scheiterte vollständig, die italienische Armee ward 
trotz großer Bravour aufs Haupt geschlagen, und die kümmerlichen 
Reste, die sich nach Erythräga flüchteten, hatten ihre Rettung nur 
der unterlassenen Verfolgung durch die Abessynier, die selbst erheb- 
liche Verluste erlitten hatten, zu danken. #abl. 
Die unmittelbare Folge der Niederlage war der Sturz des urcns. 
Ministeriums Crispi, das als verantwortlich für das afrikanische 
Unglück angesehen wurde. Außerlich nicht mit Unrecht, denn Crispi 
hatte wiederholt dem General Baratieri energisches Vorgehen gegen 
Menelik anbefohlen, ohne seinen gleichzeitigen Bitten um Verstär- 
kung an Geld und Mannschaft zu entsprechen. Im Grunde trug 
jedoch die Schuld das Parlament, das seine Abneigung gegen die 
Ausdehnung der afrikanischen Politik oft genug ausgesprochen hatte, 
so daß Crispi nicht wagen konnte, mit einer beträchtlichen Forde- 
rung hervorzutreten, obgleich es sich im gegenwärtigen Kriege 
keineswegs um eine Ausdehnung, sondern nur um eine Verteidigung 
des italienischen Kolonialbesitzes handelte. So blieb Baratieri 
mangelhaft gerüstet und die Katastrophe unvermeidlich. Die nach 
der Niederlage bewilligten 140 Millionen konnten weder die ver- 
letzte Waffenehre wiederherstellen noch den Verlust bedeutender Ge- 
bietsteile abwenden. Crispis Nachfolger Rudini betrachtete als Friede 
seine Hauptaufgabe die Beendigung des Krieges mit Menelik. Nachmmit. 
langen Verhandlungen, in denen Italien anscheinend nicht immer 
die würdigste Rolle spielte, kam es zu einem Frieden, in dem Italien 
das Protektorat über Abessynien und die Provinz Tigre aufgab. 
Der Friedensschluß gab mehr als tausend italienischen Gefangenen 
die Freiheit. 
Das Ministerium di Rudini blieb das Jahr über nicht un- 
erschüttert. Meinungsverschiedenheiten über die Heeresorganisation 
und über die Kolonialpolitik, die der Minister des Auswärtigen 
ganz aufgeben wollte, führten zu seiner Demission und seiner Neu- 
bildung, wobei die dissentierenden Mitglieder Riccotti und Ser- 
moneta ausschieden. — In der innern Politik wirkte die durch die
	        
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