Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

Aebersicht der politischen Eutwichelung des Jahres 1896. 335 
Beginn des neuen Jahres nach dessen Rücktritt vollzogen wurde. 
Der Prozeß gegen die Mörder Stambulows endete, ohne daß die 
Anstifter entdeckt wurden. Von Interesse war dabei, daß ein Brief 
Stambulows bekannt wurde, der kurze Zeit vor seinem Tode ge- 
schrieben, seine baldige Ermordung durch einige genau bezeichnete 
Personen voraussagte. — In Serbien wurde der Zwist zwischen Per- 
der mächtigen radikalen Partei und dem Könige noch nicht beige- · 
legt, und der Verfassungskonflikt nicht geschlichtet, doch waren die 
allgemeinen wie die wirtschaftlichen Verhältnisse befriedigender als 
früher. Straßenkundgebungen gegen die ungarische Millenniums- 
feier trübten vorübergehend die Beziehungen zu Österreich-Ungarn, 
nach geleisteter Genugthuung konnte indessen der König an der Ein- 
weihung des Eisernen-Thor-Kanals teilnehmen. — Rumänien zeigte Rumä- 
sich auch in diesem Jahre als der bestverwaltete Staat der Balkan= #ien 
halbinsel. Die Ruhe wurde auch durch den erbitterten Metropo- 
litanstreit, der einen Ministerwechsel veranlaßte, nicht gestört, und 
die Demonstrationen gegen die Jubelfeier Ungarns blieben ohne 
Folgen. Eine wichtige Kulturthat war der Beginn des Hafenbaues 
in Constanza. — Griechenlands Rolle in den makedonischen und Grie- 
kretischen Wirren kennen wir bereits. Die mißliche Finanzlage zwang cen- 
die Regierung, jede offizielle Unterstützung der Banden zu unter- 
lassen und hat auch bisher ein Abkommen mit den Gläubigern 
verhindert. — Von Montenegro endlich ist nur die Vermählung Monte- 
der Prinzessin Helene mit dem Thronfolger von Italien zu er- negro. 
wähnen. 
In den Vereinigten Staaten Nordamerikas beherrschten die Ver- 
Vorbereitungen für die Neuwahl des Präsidenten das öffentliche ##mie# 
Leben. Die beiden alten Parteien der Republikaner und Demo- 
kraten schieden sich in erster Linie nach ihrer Stellung zur Währung. 
Die Demokraten, die Partei der Landwirte und der Bergbautrei- 
benden schrieben Hebung des Silberpreises durch Einführung der 
freien Silberprägung auf ihr Programm; die Republikaner for- 
derten im Interesse der Großindustrie und des Großhandels Bei- 
behaltung der Goldwährung und Erhöhung des Zolltarifs. Der 
Nordosten der Union stimmte mit großer Mehrheit für den Kan- 
didaten der Republikaner Mc. Kinley, im „mittleren Westen“ er-