58 Das Denishhe Reich und seine einzelnen. Glieder. (April 22./23.)
müsse zuerst dort beseitigt werden. Es existiere kein Grund, die Duellanten
anders als die Messerstecher zu behandeln. Abg. Schall (kons.) spricht
sich im Sinne des Interpellanten aus, da das Duell antichristlich sei. Abg.
Bebel (Soz): Das Duell sei ein Privilegium der höheren Klassen, die-
selben Dinge würden bei dem großen Haufen als Rauferei und Totschlag
mit Zuchthaus bestraft. Daher die allgemeine Entrüstung gegen die Duelle.
Im übrigen hätten die Sozialdemokraten den Vorteil, wenn sich die sogen.
höheren Klassen niederknallten. Am zweiten Tage spricht sich Abg. Graf
Bernstorff (RP.) gegen das Duell aus. Das beste Mittel zur Abhilfe
sei, Ehrengerichte zu schaffen, die wirklich eine Sühne für schwere Belei-
digungen, welche die Schöffengerichte nicht gewähren, bieten. Abg. v.
Bennigsen (nl.): Er habe früher einmal geäußert, daß einzelne Kreise
das Duell für notwendig halten, dies aber gleichzeitig bedauert und die
Hoffnung ausgesprochen, daß die Zeit der Beseitigung des Duells nicht fern
sein werde. Daran halte er fest. Es müßte angestrebt werden, daß sich
Beleidiger und Beleidigter unter allen Umständen einem Ehrenschiedsgericht
unterwerfen, welches besugt ist, schriftliche Ehrenerklärungen beider Teile
unterzeichnen zu lassen. Abg. Bebel, der die Greuel der Kommune ver-
herrlicht habe, habe kein Recht sich über die Duelle zu entrüsten. Die
Schlägermensuren der Studenten seien keine Duelle. Abg. Richter (frsf.
Vp.) wendet sich gegen den Vorredner und fordert die Bestrafung des Duells
als Mord. Abg. v. Manteuffel (kons.): Das Duell sei als unchristlich zu
verwerfen, aber es könne als alteingewurzelte Institution nicht sogleich beseitigt
werden. Ehrengerichte und scharfe Strafen für Beleidigungen seien geeignet,
die Duelle abzuschaffen. Hierauf wird einstimmig folgende Resolution Adt
angenommen: „die verbündeten Regierungen zu ersuchen, mit allen zu Gebote
stehenden Mitteln dem mit den Strafgesetzen in Widerspruch stehenden Duell-
wesen mit Entschiedenheit entgegenzuwirken.“
22./23. April. (Reichstag.) Interpellation über die Ver-
ordnung des Bundesrats über den Betrieb der Bäckereien (val.
4. März).
Die Abgg. v. Buchka (kons.) und Gen. bringen folgende Inter-
pellation über die Verordnung des Bundesrates vom 4. März (S. 42) ein:
„Die Unterzeichneten haben Bedenken, ob die thatsächlichen Voraussetzungen,
unter welchen durch Beschluß des Bundesrates für einzelne Gewerbe auf
Grund des § 120e Absatz 3 der Gewerbeordnung, Dauer, Beginn und Ende
der zulässigen täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vor-
geschrieben und die zur Durchführung dieser Vorschriften erforderlichen An-
ordnungen erlassen werden können, für die Gewerbe der Bäcker und der
Konditoren vorhanden sind, und bitten daher die verbündeten Regierungen
um Auskunft hierüber.“ Abg. v. Buchka: Es wäre das erste Mal, daß
der Bundesrat in diesem Sinne von der ihm im § 120e erteilten Befugnis
Gebrauch gemacht hätte, und dieses Vorgehen könnte leicht zu unliebsamen
Konsequenzen führen, z. B. der Arbeitstag statt auf 12 auf 8 Stunden fest-
gesetzt werden, wenn die Kommission für Arbeiterstatistik es vorschlage. Für
die Bäckereien, welche einer ausgedehnteren Arbeitszeit und Nachtarbeit
unbedingt bedürften, seien diese Bestimmungen sehr schädlich, obwohl er
gern zugeben wolle, daß deren Arbeit anstrengend sei und in gewisser Be-
ziehung gesundheitsschädlich. Die Verordnung beschränke auch das Recht der
Landespolizeibehörden, Ausnahmen von der Sonntagsarbeit zuzulassen, ferner
stelle sie die Bäckergesellen unter Polizeiaufsicht. Der Bäcker hänge mehr
als jeder andere Handwerker von seinen Gesellen ab, weil die Backware