Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

92 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 31.) 
ferner, und wenn die Denkschrift auch auf evangelische Verhältnisse zu- 
geschnitten ist, so haben wir doch gebeten, uns mitzuteilen, welche Punkte 
die Bischöfe annehmen könnten und welche nicht. Das ist denn auch ge- 
schehen, und wir sind zu einer Verständigung gelangt. Eine Dotation im 
eigentlichen Sinne soll das, was wir in den Kirchen bieten, nicht sein, und 
die Gemeinden sollen ihrer Pflicht nicht enthoben werden. Die Herren 
Bischöfe haben ihre Mitwirkung bei der Ausbreitung des Gesetzes nicht 
versagt, und das erfüllt uns mit Freude. Beide Gesetzentwürfe unterscheiden 
sich dadurch, daß für die evangelischen Geistlichen das Grundgehalt fest- 
gelegt ist, während die katholischen Geistlichen das Risiko in den Schwan- 
kungen des Stelleneinkommens selber tragen. Zu schweren Bedenken der 
Synoden hat Anlaß gegeben die Bemessung des Minimalgehalts auf 
1800 Mark. Hätten wir statt dessen 2400 Mark genommen, so würde die 
Gründung neuer Pfarrstellen in eminenter Weise erschwert werden. Zwi- 
schen Grundgehalt und Alterszulagen ist ein beweglicher Faktor getreten 
in den Zuschüssen, wodurch auch das Minimalgehalt erhöht werden kann. 
Es können sehr wohl in den Altersklassen 300 000 Mark jährlich übrig 
bleiben, aus denen die Mindestgehälter um 300 Mark erhöht werden 
können. Die Selbstverwaltung der Kirche wird im Gesetz gestärkt, und die 
evangelischen Geistlichen werden fortan in verhältnismäßig jungem Alter 
zum Pfarramt kommen. Das Höchstgehalt wird bis 4800 Mark und dar- 
über gesteigert, also mehr als seiner Zeit die Generalsynode 1891 und 
1894 verlangt hat. Ich freue mich dieses Erfolges nach manchem Miß- 
erfolge in dieser Frage und in der Frage des Lehrerbesoldungsgesetzes im 
Herrenhause. Der Termin des Inkrafttretens konnte nicht früher als auf 
den 1. April 1899 gelegt werden, weil die kirchlichen Organe Zeit haben 
müssen, sich in die neuen Verhältnisse einzuarbeiten. Unberührt bleiben 
durch dieses Gesetz die altkatholischen Gemeinden und eine kleine Zahl von 
Gemeinden in Frankfurt am Main. Ich bitte Sie, beide Gesetze thunlichst 
einmütig zu genehmigen. Ich weiß nicht, wie es mit den katholischen 
Geistlichen steht, aber das weiß ich, daß in evangelischen Pfarrhäusern 
große Not herrscht, daß man dort mit wahrem Heldentum gegen die Not 
gekämpft hat. Darum ist eine gesetzliche Regelung absolut notwendig, 
beide Gesetze enthalten einen eminenten Fortschritt für beide Kirchen. 
Abg. v. Köller (kons.) findet das vorgeschlagene Minimalgehalt für zu 
gering und polemisiert gegen viele Einzelheiten des Gesetzes. Abg. Porsch (Z.) 
bedauert, daß das Gehalt der katholischen Geistlichkeit geringer bemessen 
sei als das der evangelischen. Abg. Haacke (frk.) macht die Zustimmung 
seiner Partei zu dem Gesetz von drei Punkten abhängig: die Gemeinden 
dürften nicht weiter belastet werden, das vollständig ungenügende Grund- 
gehalt der Geistlichen müsse erhöht werden und das Gesetz nicht erst am 
1. April 1899, sondern bereits früher seine segensreiche Wirkung aus- 
üben. — Die Vorlage wird am folgenden Tage einer Kommission über- 
wiesen. 
31. März. Der Reichstag genehmigt das Etats- und An- 
leihegesetz sowie das Gesetz über die Verwendung überschüssiger 
Reichseinnahmen zur Schuldentilgung. 
Danach wird der Reichshaushaltsetat für das Rechnungsjahr vom 
1. April 1898 bis 31. März 1899 wie folgt festgestellt: in Ausgabe auf 
1433790723 ℳ, nämlich auf 1240727617 ℳ an fortdauernden, auf 
135 636 115 ℳ an einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats, und auf 
57426991 ℳ an einmaligen Ausgaben des außerordentlichen Etats, in 
Einnahme auf 1433790723 ℳ.
	        
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