118 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 7.)
daß sowie dieser große Kaiser seine ganze Stärke und seine ganze Kraft
empfand aus seinem Verhältnis, seiner Verantwortlichkeit zu seinem Gott,
desgleichen ein jeder unter Ihnen, er mag sein wer er sei, hoch oder
niedrig, von welcher Konfession, auch immer sich klar sein muß, daß bei
dem, was Ihnen bevorsteht, bei der Arbeit, die Sie in diesem Jahre zu
thun gedenken, ein jeder von Ihnen seine Aufgabe so auffasse, daß, wenn
er dereinst zum himmlischen Appell berufen wird, er mit gutem Gewissen vor
seinen Gott und seinen alten Kaiser treten kann. Und wenn er gefragt
wird, ob er aus ganzem Herzen für des Reiches Wohl mitgearbeitet habe.
er auf seine Brust schlagen und offen sagen darf: Ja! Aus derselben
Quelle, aus der Mein Herr Großvater zu Seinem Thun und Schaffen,
Mein Herr Vater zu Seinem Siegen und Leiden die Kraft schöpfte, schöpfe auch
Ich sie, und Ich gedenke, Meinen Weg weiter zu wandeln und das Ziel,
das ich Mir gesetzt habe, weiter zu erreichen, in der Ueberzeugung, die Ich
auch Ihnen allen nur ans Herz legen kann, die für uns, für jeden Menschen
die maßgebende sein muß: Eine feste Burg ist Unser Gott! In hoc signo
vinces! Und nun wollen wir alle dem, was unser Herz bewegt, Ausdruck
geben, indem wir rufen: Unser geliebtes deutsches Vaterland, unser
herrliches Volk, das Gott erhalten und schützen möge, Hoch! Hoch!
Hoch!
7.—17. Mai. Aufenthalt des Kaiserpaares in den Reichs-
landen.
7. Mai. Das Zentrum veröffentlicht einen Wahlaufruf,
worin es heißt:
Die Zentrumspartei ist gegründet als politische Partei zur Ver-
teidigung der kirchlichen Rechte, zur Wahrung der politischen Freiheiten und
zur Förderung der wirtschaftlichen Interessen des deutschen Volkes, insbe-
sondere der deutschen Katholiken. Das war unentwegt die Richtschnur unseres
Wirkens in der verflossenen Legislatur-Periode. Wir halten fest an der
Verfassung des deutschen Reiches. Wir wahren treu die Rechte des Kaisers,
der verbündeten Fürsten und der Einzelstaaten. Ebenso unerschütterlich
wahren wir die Rechte des deutschen Volkes und seiner Vertreter. Angriffe
auf diese Rechte, insbesondere auf das allgemeine gleiche unmittelbare und
geheime Wahlrecht zum Reichstag oder den Reichstag selbst werden allzeit
an uns wie bisher entschlossene Gegner finden. Mit allem Nachdruck sind
wir bestrebt gewesen, die Beseitigung der noch bestehenden Reste des Kultur-
kampfes in Gesetzgebung und Verwaltung zu erreichen und die Rechtsstellung
des katholischen Volksteiles im Deutschen Reiche so zu sichern, daß der Wieder-
kehr eines Kulturkampfes nach Kräften vorgebeugt würde. Aber noch immer
hält der Bundesrat das Gesetz gegen die Jesuiten und die ihnen verwandt
erklärten Orden aufrecht, obwohl es mit der natürlichen Gerechtigkeit in
schneidendstem Widerspruch steht und der Reichstag schon viermal auf unsern
Antrag dessen Aufhebung gefordert hat. Harren wir aus im Kampfe gegen
jenes Ausnahmegesetz und für die Gleichberechtigung der Katholikkern . . . . .
In den verflossenen Jahren hat die Landwirtschaft unter einer erdrückenden
Notlage gelitten. Unausführbaren Vorschlägen zur Abstellung derselben
haben wir pflichtgemäß Widerstand geleistet. Wo immer aber ein gang-
barer Weg sich zeigte, der Landwirtschaft zu Hilfe zu kommen, haben wir
es niemals an uns fehlen lassen. Das neue Margarinegesetz und das neue
Börsengesetz mit der Beseitigung des Terminhandels in Getreide sind unter
unserer entscheidenden Mitwirkung zu stande gekommen. Bei der Be-
schlußfassung über neue Handelsverträge wird eine verstärkte Fürsorge für