Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

120   Das   Deutsche   Reich   und    seine   einzelnen   Glieder. (Mai 10.) 
Gegner aller sozial-revolutionären Bestrebungen sind. Die noch kurz vor 
Schluß des Reichstages erfolgte gesetzliche Regelung unserer Wehrkraft zur 
See vereinfacht den bevorstehenden Wahlkampf erheblich: Unter mißbräuch- 
licher Ausnutzung „nationaler Wahlparolen" sind in früheren Zeiten oft 
unnatürliche Bündnisse geschlossen, bei denen die wirtschaftlichen Lebens- 
interessen der schaffenden und arbeitenden Stände des Volkes Schaden er- 
litten. Auf Grund der Ueberzeugung, daß nur ein in seinen verschiedenen 
Erwerbsgruppen wirtschaftlich gesundes Volk die Macht des Deutschen Reiches 
nach außen und seine Blüte im Immern dauernd zu gewährleisten vermag. 
glauben wir die beste nationale Politik zu treiben, wenn wir den Wählern 
empfehlen, die Wahlkandidaten in erster Linie auf ihre Stellung zu den 
wirtschaftlichen Schäden der Zeit zu prüfen. Auf die eigene Einsicht, auf 
Selbsthilfe ist also der Mittelstand nach wie vor angewiesen. Der gute 
Wille, der oben vorhanden ist, bedarf der Unterstützung mitten aus dem 
Volke heraus, um die Hemmungen zu beseitigen, die der versprochenen Mittel- 
standspolitik, der unerläßlichen Sozialreform, von dem Großkapital und 
dem Judentum bereitet werden. Daß den Worten auch segenbringende 
Thaten folgen, dafür müssen die Wähler selbst sorgen, indem sie die Re- 
formpartei schaffen, die der vorläufig noch ratlosen Regierung die Wege 
weist. War im abgelaufenen Reichstage unsere Aufgabe vorwiegend die 
Kritik der durch die alten Parteien begangenen Fehler und der Hinweis auf 
die Mittel zur Abhilfe, so müssen wir nunmehr auf Verstärkerung unserer 
Richtung bedacht sein, denn der neue Reichstag wird vor Fragen von 
höchster Bedeutung für die Lebensinteressen des gesamten Volkes gestellt. 
Von allen Parteien hat allein die Deutsch-soziale Reformpartei geschlossen 
die Caprivischen Handelsverträge bekämpft, die in den Jahren 1903 und 
1904, also während der nächsten Reichstagsperiode ablaufen. Eine Er- 
neuerung dieser Verträge, bei denen die deutsche Produktion schweren Schaden 
genommen, lehnen wir ab. Wir werden nur einer Handelspolitik zu- 
stimmen, die der deutschen Landwirtschaft den zehn Jahre lang vermißten 
Schutz gegen die Erzeugnisse des russischen und amerikanischen Raubbaues 
gewährt und dadurch die einheimische Kaufkraft stärkt. Bei dem Neuab- 
schluß von Verträgen mit auswärtigen Staaten werden wir zugleich unser 
Hausrecht gegen ausländische Juden zu wahren haben. Es war eine be- 
schämende Thatsache, daß der Antrag auf Verbot der Judeneinwanderung 
vom Regierungstische als mit den bestehenden Handelsverträgen nicht ver- 
einbar erklärt werden konnte. Nicht alles von oben erwarten soll das Volk 
nach einem unvergeßlichen Worte des Königs von Sachsen. Deshalb wollen 
wir mitten aus dem Volke Helfer schaffen zur Durchführung des oben er- 
wähnten kaiserlichen Programms. Der Stimmzettel ist die Waffe, die dem 
schaffenden Volke gegeben ist, um sich seiner Bedrücker und Ausbeuter zu 
erwehren. Im Gegensatz zu den lauen Freunden und geheimen Feinden 
des allgemeinen, direkten und geheimen Wahlrechtes verteidigen wir das 
bestehende Reichstagswahlrecht und wollen es in keiner Weise beschränkt 
wissen. Der Ausbau eines freien Versammlungs- und Vereinsrechtes ist 
anzustreben unter Verwerfung all der Kürzungen und Beschränkungen, wie 
sie neuerdings von alten Parteien in selbstsüchtiger Sorge um die Erhaltung 
ihrer Machtstellung, aber ohne Rücksicht auf das Allgemeinwohl, versucht 
werden . .   . Zahlreiche Wahlkreise sind ernstlich in Angriff genommen. 
Dort, wo bindende Abmachungen für bestimmte Kandidaten unter Zu- 
ziehung unserer Parteigenossen nicht getroffen sind, richten wir an letztere 
das Ersuchen, bekannte Führer der Partei als Zählkandidaten aufzustellen, 
um zu zeigen, daß auch in diesen Kreisen der antisemitische Gedanke Wurzel 
gefaßt hat.
	        
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