120 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 10.)
Gegner aller sozial-revolutionären Bestrebungen sind. Die noch kurz vor
Schluß des Reichstages erfolgte gesetzliche Regelung unserer Wehrkraft zur
See vereinfacht den bevorstehenden Wahlkampf erheblich: Unter mißbräuch-
licher Ausnutzung „nationaler Wahlparolen" sind in früheren Zeiten oft
unnatürliche Bündnisse geschlossen, bei denen die wirtschaftlichen Lebens-
interessen der schaffenden und arbeitenden Stände des Volkes Schaden er-
litten. Auf Grund der Ueberzeugung, daß nur ein in seinen verschiedenen
Erwerbsgruppen wirtschaftlich gesundes Volk die Macht des Deutschen Reiches
nach außen und seine Blüte im Immern dauernd zu gewährleisten vermag.
glauben wir die beste nationale Politik zu treiben, wenn wir den Wählern
empfehlen, die Wahlkandidaten in erster Linie auf ihre Stellung zu den
wirtschaftlichen Schäden der Zeit zu prüfen. Auf die eigene Einsicht, auf
Selbsthilfe ist also der Mittelstand nach wie vor angewiesen. Der gute
Wille, der oben vorhanden ist, bedarf der Unterstützung mitten aus dem
Volke heraus, um die Hemmungen zu beseitigen, die der versprochenen Mittel-
standspolitik, der unerläßlichen Sozialreform, von dem Großkapital und
dem Judentum bereitet werden. Daß den Worten auch segenbringende
Thaten folgen, dafür müssen die Wähler selbst sorgen, indem sie die Re-
formpartei schaffen, die der vorläufig noch ratlosen Regierung die Wege
weist. War im abgelaufenen Reichstage unsere Aufgabe vorwiegend die
Kritik der durch die alten Parteien begangenen Fehler und der Hinweis auf
die Mittel zur Abhilfe, so müssen wir nunmehr auf Verstärkerung unserer
Richtung bedacht sein, denn der neue Reichstag wird vor Fragen von
höchster Bedeutung für die Lebensinteressen des gesamten Volkes gestellt.
Von allen Parteien hat allein die Deutsch-soziale Reformpartei geschlossen
die Caprivischen Handelsverträge bekämpft, die in den Jahren 1903 und
1904, also während der nächsten Reichstagsperiode ablaufen. Eine Er-
neuerung dieser Verträge, bei denen die deutsche Produktion schweren Schaden
genommen, lehnen wir ab. Wir werden nur einer Handelspolitik zu-
stimmen, die der deutschen Landwirtschaft den zehn Jahre lang vermißten
Schutz gegen die Erzeugnisse des russischen und amerikanischen Raubbaues
gewährt und dadurch die einheimische Kaufkraft stärkt. Bei dem Neuab-
schluß von Verträgen mit auswärtigen Staaten werden wir zugleich unser
Hausrecht gegen ausländische Juden zu wahren haben. Es war eine be-
schämende Thatsache, daß der Antrag auf Verbot der Judeneinwanderung
vom Regierungstische als mit den bestehenden Handelsverträgen nicht ver-
einbar erklärt werden konnte. Nicht alles von oben erwarten soll das Volk
nach einem unvergeßlichen Worte des Königs von Sachsen. Deshalb wollen
wir mitten aus dem Volke Helfer schaffen zur Durchführung des oben er-
wähnten kaiserlichen Programms. Der Stimmzettel ist die Waffe, die dem
schaffenden Volke gegeben ist, um sich seiner Bedrücker und Ausbeuter zu
erwehren. Im Gegensatz zu den lauen Freunden und geheimen Feinden
des allgemeinen, direkten und geheimen Wahlrechtes verteidigen wir das
bestehende Reichstagswahlrecht und wollen es in keiner Weise beschränkt
wissen. Der Ausbau eines freien Versammlungs- und Vereinsrechtes ist
anzustreben unter Verwerfung all der Kürzungen und Beschränkungen, wie
sie neuerdings von alten Parteien in selbstsüchtiger Sorge um die Erhaltung
ihrer Machtstellung, aber ohne Rücksicht auf das Allgemeinwohl, versucht
werden . . . Zahlreiche Wahlkreise sind ernstlich in Angriff genommen.
Dort, wo bindende Abmachungen für bestimmte Kandidaten unter Zu-
ziehung unserer Parteigenossen nicht getroffen sind, richten wir an letztere
das Ersuchen, bekannte Führer der Partei als Zählkandidaten aufzustellen,
um zu zeigen, daß auch in diesen Kreisen der antisemitische Gedanke Wurzel
gefaßt hat.