Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 11.—14.) 121
11./13. Mai. (Preuß. Abgeordnetenhaus.) Gesetzentwurf
betr. das Anerbenrecht bei Landgütern in der Provinz Westfalen
und in den Kreisen Rees, Essen Land und Stadt, Duisburg, Ruhr-
ort und Mühlheim.
Nach langer Debatte wird das Gesetz gegen die Stimmen der Frei-
sinningen angenommen. Im Laufe der Debatte erklären die Minister
v. Hammerstein und v. Miquel, daß das Gesetz nicht auf andere Landes-
teile ausgedehnt werden solle, wo ganz andere Rechtsanschauungen herrschten.
14. Mai. Das preuß. Herrenhaus genehmigt die Privat-
dozentenvorlage. (Vgl. S. 32.)
12. Mai. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ schreibt über Deutsch-
lands Verhältnis zu Amerika:
Amerikanische und deutsche Blätter haben kürzlich berichtet, daß
Se. Majestät der Kaiser in einer Unterredung mit dem Botschafter der
Vereinigten Staaten in Berlin die Annahme, die kaiserliche Regierung sei
von unfreundlichen Gefühlen gegen Amerika beseelt, zurückgewiesen haben
soll. Wie wir erfahren, hat eine solche Unterredung nicht stattgefunden
und beruhen daher die darüber gemachten Angaben auf freier Kombination.
Seine Majestät der Kaiser dürfte es um so weniger für erforderlich erachtet
haben, die ihm zugeschriebenen Versicherungen abzugeben, als die Ameri-
kaner nach den von deutscher Seite seit Beginn des Krieges wiederholt und
zuletzt noch feierlich in der Thronrede vom 6. Mai abgegebenen Erklärungen
über den Charakter unserer strikten, vollkommenen und loyalen Neutralität
nicht im Zweifel sein können. Dies sei auch solchen englischen, französischen
und österreichischen Blättern gesagt, die sich bemüht zeigen, Regierung und
öffentliche Meinung des Deutschen Reichs als parteiisch gegen den Präsi-
denten und das Volk der Vereinigten Staaten hinzustellen. Die kaiserliche
Politik hat Anspruch auf das Vertrauen, daß sie die mehr als hundert-
jährige Freundschaft zu dem Staatswesen, in dem Millionen deutscher
Landsleute eine zweite Heimat gefunden haben, nicht ohne zwingende
Gründe stören lassen wird.
14. Mai. (Köln.) Feierliche Einweihung neuer Hafen-
anlagen, an der die Minister v. Miquel, Thielen, Brefeld, v. d. Recke
teilnehmen.
Mai. Zwischen der Presse des Bundes der Landwirte
(„Deutsche Tageszeitung“, „Korrespond. des B. d. L.“) und kon-
servativen Organen kommt es zu heftigen Diskussionen, weil der
Bund eigene Kandidaten in konservativen Wahlkreisen aufstellt.
Mai. Öffentliche Diskussionen über die Bedrohung des
Reichstagswahlrechts.
Der Reichstagsabg. Müller-Fulda (Z.) behauptet, daß innerhalb
der Regierungen Absichten beständen, das geheime Wahlrecht abzuschaffen.
In der Presse wird diese Nachricht eifrig diskutiert; ein Teil erklärt sie
für eine grundlose, nur zu Agitationszwecken aufgestellte Behauptung,
andere nehmen sie ernst und fordern Aufklärung durch die Regierung.
Infolgedessen schreibt der „Reichs-Anzeiger“ im nichtamtlichen Teile: In
einem Teil der Presse wird die Nachricht verbreitet, es sei ein Gesetzentwurf