Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

124 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 18.) 
wesentlich dazu beitragen, auch für die Zukunft ein wohlgeordnetes Finanz- 
wesen zu sichern. Die Finanzlage des Staates hat sich in der abgelaufenen 
Legislaturperiode fortgesetzt günstiger gestaltet. Während die ersten Jahre 
noch Fehlbeträge aufwiesen, haben die letzten Jahre mit Ueberschüssen ab- 
geschlossen. Diese erfreuliche Entwicklung hat es möglich gemacht, die 
wachsenden Bedürfnisse auf allen Gebieten des Staatslebens in ausgiebiger 
Weise zu befriedigen. Die Ausgaben in allen Verwaltungszweigen haben 
bedeutend erhöht werden können, und eine Reihe seit längerer Zeit un- 
gelöster Aufgaben ist nunmehr zur Durchführung gelangt. Die Lage der 
Beamten hat sich durch die Einführung des Systems der Dienstaltersstufen, 
die erhebliche Vermehrung der etatsmäßigen Stellen, die Anrechnung be- 
stimmter Jahre für die Diätarien, die Erhöhung der Witwenpensionen, 
die Aufhebung der Dienstkautionen wesentlich verbessert. Vor allem ist es 
gelungen, die im Jahre 1890 begonnene allgemeine Erhöhung der Beamten- 
gehälter nunmehr zum Abschluß zu bringen. Nur die Neuregelung der 
Gehälter einiger Klassen der Unterbeamten wird den Landtag in der 
nächsten Session noch beschäftigen müssen. Den seit Jahren hervorgetretenen 
Wünschen auf Verbesserung der Lage der Volksschullehrer ist durch das 
Gesetz vom 3. März v. J. entsprochen worden, durch welches das Ziel er- 
reicht worden ist, den Lehrern ein festes, den örtlichen Verhältnissen an- 
gemessenes Einkommen zu sichern. Mit Freude begrüße Ich nicht minder 
das Gelingen einer Verständigung zwischen den beteiligten staatlichen und 
kirchlichen Instanzen über die Neuregulierung der Gehaltsverhältnisse der 
evangelischen und der katholischen Geistlichen. Ich hoffe zuversichtlich, daß 
diese Reform für Staat und Kirche von bleibendem Segen sein wird. Für 
die Förderung des Hochschulwesens und des gewerblichen Unterrichts, für 
die wissenschaftlichen und Kunstanstalten sind erhebliche Mittel bereit gestellt 
worden. Die Neuordnung der Staatseisenbahnverwaltung hat sich in allen 
Teilen durchaus bewährt. Infolge des großen Aufschwungs der gewerb- 
lichen Thätigkeit hat sich der Verkehr der Eisenbahnen über Erwarten ge- 
steigert. Zu Meiner Befriedigung hat der Landtag sich bereit gefunden, 
aus den Ueberschüssen des Staatshaushaltes Meiner Regierung außerordent- 
liche Mittel zur Verfügung zu stellen, um den stetig wachsenden Anforde- 
rungen des Verkehrs schneller und durchgreifender zu entsprechen. Für die 
Erweiterung des Staatseisenbahnnetzes, sowie für die Förderung des kräftig 
aufblühenden Kleinbahnwesens sind die verlangten Mittel bereitwillig von 
Ihnen gewährt worden. Behufs Verbesserung der Wohnungsverhältnisse 
der Arbeiter und geringer besoldeten Staatsbeamten sind erhebliche Beträge 
bereit gestellt; der Förderung dieses bedeutsamen Zieles wird auch in Zu- 
kunft besondere Fürsorge gewidmet werden. Die Errichtung der Zentral- 
genossenschaftskasse und ihre weitere Ausstattung mit staatlichen Mitteln 
wird, wie schon die bisherige Erfahrung bewiesen hat, zur Hebung des 
Genossenschaftswesens und zur Sicherung einer billigen Kreditgewährung 
für die Mittelklassen in Stadt und Land beitragen und den Zusammen- 
schluß der schwächeren Kräfte im Wirtschaftsleben fördern. Das Zustande- 
kommen der Städteordnung und der Landgemeindeordnung für die Provinz 
Hessen-Nassau ist ein erfreulicher Fortschritt. An Stelle der vielgestaltigen, 
zum Teil veralteten Gesetze ist ein einheitliches Gemeindeverfassungsrecht 
getreten, welches sich an die im übrigen Staatsgebiete geltenden Grundsätze 
anschließt. Die schwierige Lage der Landwirtschaft hat nach wie vor die 
volle Aufmerksamkeit Meiner Regierung in Anspruch genommen, welche 
fortgesetzt auf die Hebung und Förderung dieses für unsere heimischen 
Verhältnisse hochwichtigen Gewerbes bedacht ist. Das Gesetz über die Land- 
wirtschaftskammern hat eine korporative Vertretung der Landwirtschaft er-
	        
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