Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 18. 20.) 125 
möglicht. Durch die in zehn Provinzen bereits erfolgte Errichtung solcher 
Kammern ist die wertvolle Mitarbeit dieser zur Wahrnehmung der Gesamt- 
interessen der Land- und Forstwirtschaft gesetzlich berufenen Organe gesichert 
worden. Von der von Ihnen beschlossenen Einführung des gesetzlichen 
Anerbenrechts nicht nur bei Renten- und Ansiedlungsgütern, sondern auch 
bei Landgütern in der Provinz Westfalen und einigen rheinischen Kreisen 
verspreche Ich Mir eine günstige Wirkung für die Erhaltung des für 
unsere soziale und wirtschaftliche Entwicklung so wichtigen bäuerlichen 
Grundbesitzes. Den Handelskammern ist ein erweiterter Wirkungskreis und 
größere Bewegungsfreiheit gegeben worden. Die Bewilligung von weiteren 
hundert Millionen Mark zur Ansiedlung von deutschen Bauern in den 
östlichen Landesteilen wird zusammen mit andern Maßnahmen zur Stärkung 
des Deutschtums dienen, zugleich aber auch allgemein die wirtschaftlichen 
Verhältnisse dieser Landesteile zu heben geeignet sein. Mit besonderer 
Genugthuung habe Ich es empfunden, daß Sie die von Meiner Regierung 
für notwendig erachteten Mittel zur Beseitigung der durch die Hochwasser 
des vorigen Sommers herbeigeführten Schäden bewilligt haben. Die zur 
dauernden Sicherung gegen Ueberschwemmungsgefahren eingeleiteten Vor- 
arbeiten sind in kräftiger Förderung begriffen. Geehrte Herren! Der 
Rückblick auf die abgelaufene Legislaturperiode ist ein erfreulicher. Zahl- 
reiche Reformen sind zur Durchführung gelangt, langempfundene Bedürf- 
nisse konnten befriedigt werden, und fast auf allen wichtigen Gebieten des 
öffentlichen Lebens sind erhebliche Verbesserungen erzielt worden. Diese 
Ergebnisse sind nicht zum wenigsten Ihrer treuen Arbeit und dem ver- 
ständnisvollen Entgegenkommen zuzuschreiben, welches Meine Regierung bei 
Ihnen gefunden hat. Am Ende einer zehnjährigen Regierungszeit empfinde 
Ich mit aufrichtigem Danke, daß die bereitwillige Mitarbeit der Landes- 
vertretung Mir Mein landesväterliches Bestreben, die Wohlfahrt Meines 
Volkes zu fördern und zu heben, in hohem Maße erleichtert hat. Hieraus 
schöpfe Ich zugleich die Zuversicht, daß es unter Gottes gnädigem Beistand 
auch in der Zukunft gelingen wird, das Erreichte festzuhalten und den 
neuen Aufgaben, welche unsere Zeit in immer steigendem Umfange stellt, 
zum Segen unseres teuern Vaterlandes gerecht zu werden. 
18. Mai. (Bayer. Landtag.) Die Kammer der Reichs- 
räte genehmigt mit großer Majorität den Gesetzentwurf über die 
Abänderung des Vereinsgesetzes. 
Die wichtigsten Bestimmungen sind: Ausschluß der Minderjährigen 
von öffentlichen Versammlungen und Vereinen, Zulassung der Frauen zu 
eben solchen und die Aufhebung des Affiliationsverbotes (Verbindung von 
Vereinen). — Die Kommission war gegen die Zulassung der Frauen ge- 
wesen; Minister v. Feilitzsch tritt aber warm für die Zulassung ein. 
Für die Zulassung stimmen u. a. 6 königl. Prinzen. — Die Abgeordneten- 
kammer hatte das Gesetz einstimmig angenommen. 
20. Mai. (Berlin.) Der Kaiser richtet folgenden Erlaß 
an den Reichskanzler über den Abschluß der Rechtseinheit: 
Nachdem die Ergänzungsgesetze zu dem Bürgerlichen Gesetzbuch 
nunmehr sämtlich verabschiedet worden sind und damit das Werk der ein- 
heitlichen Gestaltung des bürgerlichen Rechts seinen Abschluß gefunden hat, 
ist es Mir Bedürfnis, dem Staatssekretär des Reichs-Justizamts und allen 
Beamten dieser Behörde, welche in hingebender, angestrengter Thätigkeit 
an dieser großen gesetzgeberischen Arbeit mitgewirkt haben, Meinen kaiser-
	        
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