128 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Ende Mai—Juni 3.)
Ausgaben dem Deutschen Reiche zu gute gekommen sind. Es ist aber ebenso
kein Zweifel, daß sie in erster Linie den zunächst beteiligten Ländern, den
an der deutschen Küste liegenden zu gute kommen. Ich glaube, es ist kein
unbilliges Verlangen, wenn wir in Bayern in Gebieten, die ja allen An-
laß haben mit den übrigen deutschen und sonstigen industriellen Gebieten zu
wetteifern, verlangen, daß vom Reich uns unter die Arme gegriffen wird,
daß wir Zuschüsse bekommen, um die Rhein-Donau-Linie zu erlangen. Der
Reichstag hat sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, daß für die
Fortsetzung der Main-Kanalisierung nach Bayern hin keine Gebühren er-
hoben werden sollen. Es ist das eben ein Zeichen, daß in Deutschland die
Ansicht geteilt wird, daß auf Flüssen für Beförderung der Güter keine Ge-
bühren erhoben werden sollen. Sorgen Sie dafür, daß nicht auf dem Um-
wege als Kanalisierungs-Gebühren neue Zölle eingeführt werden. Ich
wünsche, der Kongreß möge sich dahin aussprechen, daß keinerlei Gebühren
auf den natürlichen und künstlichen Wasserstraßen erhoben werden. Mögen
sich endlich greifbare Ergebnisse in dieser Hinsicht zeigen, möge der Ver-
bandstag nicht wie so viele andere erfolglos verlaufen. Helfen Sie mir
und helfen Sie sich, daß wir zu einem Erfolg kommen!
Ende Mai. Der Weimarische Oberkirchenrat warnt in
einem vertraulichen Erlasse an die Superintendenten vor Begün-
stigung der National-Sozialen bei den Reichstagswahlen, der
Meiningensche rät öffentlich allen Pfarrern von der Wahl-
agitation ab.
Juni. (Preußen.) Es finden innerhalb der Regierung
Verhandlungen statt über die Lostrennung der Wasserbauangelegen-
heiten vom Ministerium für öffentliche Arbeiten. Es heißt, sie
sollen mit dem Landwirtschaftsministerium vereinigt oder es soll
ein selbständiges Ministerium organisiert werden.
2.3. Juni. (Berlin.) Tagung des evangelisch-sozialen
Kongresses.
Folgende Vorträge werden gehalten: Lic. Lezius-Greifswald: Die
Stellung Luthers zu den sozialen Fragen seiner Zeit; Prof. Stieda-Leip-
zig: Geschichtliche, gegenwärtige und zukünftige Arbeiterorganisationen;
Pfarrer Rade-Frankfurt a. M.: Ueber die sittlich-religiöse Gedankenwelt
unserer Fabrikarbeiter.
2. Juni. (Bayer. Abgeordnetenkammer.) Debatte über
die Reform des Militärstrafprozesses. Äußerungen der Parteien
und des Kriegsministers.
Abg. Günther (dfr.): Die neue Militärstrafprozeßordnung bringt
für Bayern keine Verbesserungen, sondern Verböserungen. Dem Berufs-
richterstande wird da eine subalterne Stellung angewiesen, wie es bisher
nicht war. Leider können wir dagegen nichts machen, wir müssen uns da-
mit abfinden. Durch solche Gaben wie die neue Militärstrafprozeßreform
wird die Lust am Deutschen Reiche wahrlich nicht gefördert. Der Reichs-
gedanke wird dadurch in Süddeutschland nicht zu der Höhe erhoben, zu
der auch ich ihn erhoben sehen möchte. Um der Einheit willen wir nicht
eine Reihe von Dingen auf uns nehmen, für die wir in Bayern absolut