Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 10./11.) 139
Friedrichsruh, den 10. Juli 1898.
Geehrter Herr Geheimer Rat,
zu meiner Freude höre ich durch Professor Schweninger, daß Seine Majestät
der Kaiser und König die Benennung der in Posen zu errichtenden Landes-
bibliothek nach Kaiser Wilhelm I. huldvoll genehmigt hat. Ich hoffe, daß
der ruhmreiche Name meines alten Herrn dem patriotischen Unternehmen,
dem ich meine wärmsten Sympathien entgegenbringe, Erfolg und Gedeihen
verleihen möge.
Mit ausgezeichnetster Hochachtung bin ich
geehrter Herr Geheimer Rat,
Ihr ergebenster
v. Bismarck.
Der Bibliothek gehen viele Werke zu von Verlegern, Bibliotheken,
Schriftstellern u. s. w.
10./11. Juli. (Weißenfels.) Abgeordnetentag des Deut-
schen Kriegerbundes. Kriegervereine und Sozialdemokratie.
An dem Abgeordnetentage nehmen etwa 200 Vertreter von zirka
13000 Vereinen mit über 1 Million Mitglieder teil. Der Vorsitzende
General der Inf. v. Spitz erinnert nachdrücklich daran, daß die Mitglieder
des deutschen Kriegerbundes durch ihre Satzungen zur Treue gegen Kaiser
und Reich verpflichtet seien und daß sie daher sich jeder Unterstützung der
sozialdemokratischen Partei, die gerade auf die Vernichtung der Monarchie
und des Nationalstaates ausgehe, zu enthalten hätte. Bei den letzten
Reichstagswahlen hätten aber viele Kriegervereinsmitglieder sozialdemo-
kratisch gewählt, also die feierlich übernommene Verpflichtung, ihre im
Fahneneide gelobte Treue zu bethätigen, gebrochen. Solche Elemente seien
als Heuchler und Betrüger schimpflich aus den Vereinen auszustoßen.
Die Rede wird in der Presse vielfach kommentiert; die Blätter der
Linken sehen darin eine politische Agitation, die den Kriegervereinen nicht
gestattet sei. In dem Organ des Deutschen Kriegerbundes, der „Parole“,
wird dagegen ausgeführt, daß die Kriegervereine nur ihr statutenmäßiges
Recht und ihre Pflicht erfüllen, wenn sie solche Mitglieder, die dem Grund-
satz des Kriegervereinswesens, der Bethätigung monarchischer und natio-
naler Gesinnung, nicht entsprechen, von sich fernhalten. Eine parteipolitische
Agitation bedeute ein solches Vorgehen nicht, da keine bürgerliche Partei
dadurch berührt werde; das Vorgehen richte sich allein gegen die Sozial-
demokratie, die infolge ihrer Grundsätze mit den Tendenzen des Krieger-
vereinswesens in diametralem Gegensatz stehe.
11. Juli. (Preußen.) Der „Reichs-Anzeiger“ veröffentlicht
eine Summarische Nachweisung über die Resultate der nach dem
Gesetz vom 7. Juli 1891 im Jahre 1897 durch die General-Kom-
missionen erfolgten endgültigen Rentengutsgründungen, sowie über
die Gesamtergebnisse des Rentengutsgesetzes bis zum Schlusse des
Jahres 1897.
Danach sind im Vorjahre 93 Güter mit einem Flächeninhalt von
15591 Hektar in einer Gesamtfläche von 9990 Hektar zur Rentenguts-
bildung verwendet worden. Rentengüter sind im ganzen 915 neu ent-
standen, die wenigsten (35) in einer Größe unter 2½ Hektar, die meisten
(300) in einer Größe von 10 bis 25 Hektar. Der Taxwert dieser Güter
beträgt 7060 269 .(4, wovon 1325760 angezahlt sind. Am stärksten an