142 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli.)
der Kaiser hierauf telegraphisch gegeben haben soll, unterlassen wir mitzu-
teilen, weil sie uns in der Form, wie sie gemeldet wird, als frivol er-
funden erscheint.
„Berl. Neueste Nachr.“: Die ganze Darstellung klingt so außer-
ordentlich sensationell und ist so gehässig zugespitzt, daß wir sie ungeachtet
der Versicherungen, mit denen das genannte Blatt sie begleitet, für un-
wahr halten.
„Elbinger Ztg.“: Selbst in den Hundstagen sollten solche offenbaren
Fehler bei der Erfindung von Kaisertelegrammen nicht vorkommen.
Anders die „Leipziger Neuesten Nachrichten": Die Veröffentlichung
ist nun einmal geschehen, und es muß offen bekannt werden, daß sie einen
überaus peinlichen, ja geradezu niederschmetternden Eindruck gemacht hat,
zumal da gewisse Nebenumstände, wie die jüngsten Artikel der lippischen
Landesorgane, dem angekündigten Zwist eine prinzipielle Grundlage zu geben
schienen. Da muß denn doch offen gesagt werden, daß wir und wohl
Millionen mit uns eine sofortige klare Stellungnahme von Berlin aus
geradezu ersehnt haben, daß wir den Wunsch hegen, eine so aufregende
Frage nicht dem Zeitungsgezänke überlassen zu sehen, daß es vielmehr not-
wendig ist, von Berlin aus sichere und klare Stellung zu ergreien
Nur wenn die Grundlinien, die Fürst Bismarck so scharf und nie so deut-
lich markierte, wie in den letzten Jahren, mit aller Kraft festgehalten wer-
den, wenn auch nicht in der kleinsten Einzelheit von oben her der Auf-
fassung Boden geschaffen wird, als solle das Fürstenrecht dem Kaiserrecht
sich beugen, kann das mit Blut und Eisen und Thränen Geschaffene Be-
stand behalten. Zarte Schonung ist am Platze, und gerade der Stärkere
verliert nichts an seiner Würde, wenn er dem Schwächeren sich nach-
giebig zeigt.
„Hamb. Korresp.“: Wir bedauern gewiß das rasche Wort des Kaisers
und sind überzeugt, daß er unschwer eine Form finden wird, eine mögliche
Uebereilung gut zu machen. Noch mehr aber bedauern wir, daß die un-
erwünschte Angelegenheit mit einer plumpen Indiskretion in die Oeffent-
lichkeit geworfen worden ist. Man muß beobachten, wie sich Partikularisten,
Demokraten und Sozialdemokraten an dem Feuerchen, das da glücklich an-
gezündet worden ist, behaglich die Hände wärmen; wie von ihnen aus
einer persönlichen Verstimmung sofort mit hämischer Schadenfreude böse
Zwietracht im Rate der Bundesfürsten herauskonstruiert wird; man wird
es dann mit uns als das Unfroheste an diesem ganzen Vorgang betrachten,
daß sich die öffentliche Diskussion seiner überhaupt hat bemächtigen können.
Ausdrücklich sei konstatiert, daß dem stets loyalen lippischen Hause dabei
nicht der Schein eines Vorwurfes zur Last fällt.
Die Regierung von Lippe-Detmold veröffentlicht folgende
Mitteilung in der „Tägl. Rundschau“:
Den durch die Presse gehenden Mitteilungen über einen Schrift-
wechsel zwischen Sr. Majestät dem Kaiser und Sr. Erlaucht dem Grafen-
Regenten zu Lippe steht die lippische Staatsregierung gänzlich fern. Die
Veröffentlichung ist von nichtlippischer Seite und ohne Wissen und Wollen
der hiesigen Staatsregierung erfolgt.
Detmold, den 21. Juli 1898.
Fürstliches Staatsministerium.
von Miesitscheck.
Die „Tägl. Rundschau“ berichtet weiter über das Verhältnis zwischen
dem Kaiser und dem Regenten (25. Juli): Zur lippischen Angelegenheit
verbreiten einige Blätter die Meldung, daß Lippe die Telegrammangelegen-