Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 31.)) 145
unseres Vaterlandes ihm die Freundschaft Meines in Gott ruhenden Groß-
vaters, des Großen Kaisers Majestät, fürs Leben erwarb, und den unaus-
löschlichen Dank des ganzen deutschen Volkes für alle Zeiten. Ich werde
seiner Hülle in Berlin im Dom an der Seite Meiner Vorfahren die letzte
Stätte bereiten.
Wilhelm, I. R.
Hierauf antwortet Fürst Herbert, daß diesem Wunsche des Kaisers
die eigenen letztwilligen Verfügungen des Verstorbenen entgegenständen.
31. Juli. (Berlin.) Moritz Busch, der Verfasser von „Fürst
Bismarck und seine Leute“, veröffentlicht im „Berliner Lokal-Anz.“
das Entlassungsgesuch des Fürsten vom 18. März 1890. Es lautet:
Berlin, 18. März 1890.
Bei meinem ehrfurchtsvollen Vortrage vom 15. d. Mts. haben Euere
Majestät mir befohlen, den Ordre-Entwurf vorzulegen, durch welchen die
Allerhöchste Ordre vom 8. September 1852, welche die Stellung eines
Ministerpräsidenten seinen Kollegen gegenüber seither regelte, außer Geltung
gesetzt werden soll. Ich gestatte mir über die Genesis und Bedeutung dieser
Ordre nachstehende allerunterthänigste Darlegung.
Für die Stellung eines „Präsidenten des Staatsministeriums“ war
zur Zeit des absoluten Königtums kein Bedürfnis vorhanden und es wurde
zuerst auf dem geeinigten Landtage von 1847 durch die damaligen liberalen
Abgeordneten (Mevissen) auf das Bedürfnis hingewiesen, verfassungsmäßige
Zustände durch Ernennung eines „Premier-Ministers“ anzubahnen, dessen
Aufgabe es sein würde, die Einheitlichkeit der Politik des verantwortlichen
Gesamtministeriums zu übernehmen. Mit dem Jahre 1848 trat diese kon-
stitutionelle Gepflogenheit bei uns ins Leben und wurden „Präsidenten des
Staatsministeriums“ ernannt in Graf Arnim, Camphausen, Graf Branden-
burg, Freiherr von Manteuffel, Fürst von Hohenzollern, nicht für ein
Ressort, sondern für die Gesamtpolitik des Kabinetts, also der Gesamtheit
der Ressorts. Die meisten dieser Herren hatten kein eigenes Ressort, sondern
nur das Präsidium, so zuletzt vor meinem Eintritt der Fürst von Hohen-
zollern, der Minister von Auerswald, der Prinz von Hohenlohe. Aber es
lag ihm ob, in dem Staatsministerium und dessen Beziehungen zum Mon-
archen diejenige Einigkeit und Stetigkeit zu erhalten, ohne welche eine
ministerielle Verantwortlichkeit, wie sie das Wesen des Verfassungslebens
bildet, nicht durchführbar ist. Das Verhältnis des Staatsministeriums
und seiner einzelnen Mitglieder zu der neuen Institution des Minister-
präsidenten bedurfte sehr bald einer näheren, der Verfassung entsprechenden
Regelung, wie sie im Einverständnis mit dem damaligen Staatsministerium
durch die Ordre vom 8. September 1852 erfolgt ist. Diese Ordre ist seit-
dem entscheidend für die Stellung des Ministerpräsidenten zum Staats-
ministerium geblieben und sie allein gab dem Ministerpräsidenten die Auto-
rität, welche es ihm ermöglicht, dasjenige Maß von Verantwortlichkeit für
die Gesamtpolitik des Kabinetts zu übernehmen, welches ihm im Landtag
und in der öffentlichen Meinung zugemutet wird. Wenn jeder einzelne
Minister Allerhöchste Anordnungen extrahieren kann, ohne vorherige Ver-
ständigung mit seinen Kollegen, so ist eine einheitliche Politik, für welche
jemand verantwortlich sein kann, nicht möglich. Keinem Minister und
namentlich dem Ministerpräsidenten bleibt die Möglichkeit, für die Gesamt-
politik des Kabinetts die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit zu tragen.
In der absoluten Monarchie war eine Bestimmung, wie sie die Ordre von
1852 enthält, entbehrlich und würde es noch heute sein, wenn wir zum
Europäischer Geschichtskalender. Bd. XXXIX. 10