152 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (August 8.—20.)
8. August. (München.) Der Romanschriftsteller Georg
Ebers, 61 Jahre alt, 1.
August. Die Fleischpreise steigen beträchtlich; an vielen
Orten werden Wünsche auf Aufhebung der Viehsperren laut.
Mitte August. (Preußen.) Aus Nordschleswig werden
dänische Unterthanen ausgewiesen, darunter Gewerbetreibende und
Gutsbesitzer aus Nordschleswig selbst, weil sie an Agitationen gegen
die Zugehörigkeit Nordschleswigs zu Dänemark teilgenommen haben.
20. August. Der Kaiser besucht Mainz zu einer Parade
und erwidert auf die Begrüßungsrede des Oberbürgermeisters:
Ich danke Ihnen, verehrter Herr Oberbürgermeister, für die herz-
lichen Worte, die Sie soeben an Mich gerichtet haben. Ihre Stadt ist
Mir nicht neu; schon in jungen Jahren, als Knabe, war ich hier und habe
damals ähnliche Betrachtungen angestellt, wie Sie Mir solche soeben in
gedrängter und zutreffender Form vorgetragen haben. Das römische Reich
deutscher Nation ist zu Grunde gegangen, weil es nicht auf nationaler
Grundlage aufgebaut war; sein Zerfall hatte seinen Grund in dem Mangel
patriotischen Empfindens und Zusammenhaltens seiner Glieder. Das Deutsche
Reich ist entstanden aus dem dringenden Bedürfnis nach gemeinsamem Zu-
sammenhang und Oberhaupt; es baute sich auf auf der Grundlage der
Vaterlandsliebe. Ich bin fest entschlossen, das Werk Meines Großvaters
und den Frieden, der uns so teuer ist, mit allen Meinen Kräften zu er-
halten. Das werde Ich aber nur können, wenn es uns gelingt; unser An-
sehen bei unseren Nachbaren aufrecht zu erhalten. Dazu bedarf es der
Einigkeit und der Mitwirkung aller deutschen Stämme, ja jedes einzelnen,
auch der Stadt Mainz. Ich habe Mich gefreut, zu sehen, welch schöne
Entwickelung Ihre Stadt genommen hat. Was Mich anbelangt, so können
Sie versichert sein, daß Ich an Ihrer Zukunft warmen Anteil nehme und
für Sie thun werde, was in Meinen Kräften steht, damit Sie ungestört
auch in Zukunft in bürgerlicher Eintracht leben, Handel treiben und Ihren
Wein bauen können. Ich werde dessen eingedenk bleiben, daß von jenem
Haus aus, wo Ich heute als Gast Meines lieben Vetters weile, Mein Groß-
vater seinen Zug nach Westen angetreten hat, auf dem er das Deutsche
Reich mit festem Hammerschlag zusammengenietet hat. Ich danke Ihnen,
verehrter Herr Oberbürgermeister, für den freundlichen Empfang und die
schöne Ausschmückung Ihrer Stadt, und bitte Sie, diesen Dank in Meinem
Namen auch Ihren Mitbürgern auszusprechen.
August. Durch die Presse gehen Nachrichten, daß dem Abg.
Windthorst im Jahre 1867 und nach Bismarcks Rücktritt ein
Ministerposten angeboten worden sei. Die „Köln. Volksztg.“ be-
merkt dazu:
Die Thatsache, daß Windthorst im Jahre 1867 durch die Ver-
mittelung der Kaiserin Augusta ein hoher Posten im preußischen Staats-
dienst angeboten worden ist, läßt sich nach der eigenen Erzählung Windt-
horsts nicht bezweifeln. . . . . Die Angabe des „Pfälzer Volksboten“,
kurz nach der Entlafssung Bismarcks habe der Kaiser Windthorst einen
preußischen Ministerposten anbieten lassen und ihm sogar die Wahl des
Ministeriums freigestellt, entbehrt nach den Versicherungen von Personen,