Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (September 4.) 157
Spitze des Armeekorps Meine allerhöchste Zufriedenheit aussprechen zu können.
Ich danke den hohen Kontingentsherren, die hierher gekommen sind teils
als Vertreter, teils an der Spitze ihrer Kontingente, welche am heutigen
Tage in den Reihen des Korps so herrlich abgeschnitten haben. Und für-
wahr, wenn man die Söhne des friesischen und niedersächsischen Stammes
in ihrer Masse und in ihrer Schönheit in den Regimentern zusammen-
gefaßt stehen sah, wie sie sich heute dem Auge darstellten, so konnte wohl
dem obersten Kriegsherrn das Herz höher schlagen, wieviel mehr bei dem
Gedanken an die folgenschwere und schöne Geschichte, die in den Fahnen
der Regimenter verzeichnet ist, von den zerfetzten Feldzeichen, die auf Spaniens
Boden ihren Regimentern vorangeweht haben, bis zu den Tagen von Mars-
la-Tour, Spicheren und Loigny. Was die Regimenter damals geleistet
und vollbracht haben, wie sie ihren Fahneneid mit ihrem Blute besiegelt
haben, davon erzählt die Geschichte. Wir aber freuen uns dessen, daß das
Resultat ihrer Thaten das neugeeinte und wiedererstandene deutsche Vater-
land ist, in dessen Mitte die Parade hat stattfinden können. Ich beglück-
wünsche das Korps zu dem heutigen Tage und hege die Hoffnung und die
feste Zuversicht, daß diese sturmerprobten Regimenter ebensogut wie auf der
Parade, auch im Manöver sich zeigen werden und, das bin Ich gewiß,
im Ernstfalle auch vor dem Feinde. So erhebe Ich denn Mein Glas und
trinke auf das Wohl des zehnten Armeekorps und der ihm angeschlossenen
Regimenter: Hurra! hurra! hurra!
Auf dem Ständehause begrüßt der Vorsitzende des Provinzial-
Landtags, Graf zu Inn- und Knyphausen, den Kaiser und dankt
ihm u. a., daß der hannover'schen Königsfamilie ihr Vermögen
zurückgegeben worden sei. Der Kaiser erwidert:
Meine Herren! Ich danke Ihnen von Herzen für die Gesinnung,
die Mir durch den Mund Ihres Vorsitzenden in so herrlicher Rede soeben
entgegengeklungen ist. Ich danke Ihnen zugleich im Namen der Kaiserin
für den Empfang und die Einladung zum heutigen Tage. Mit Freuden
erfüllt es Uns, wenn Wir unter den Vertretern des friesischen und nieder-
sächsischen Stammes Uns bewegen können, diesen Repräsentanten unserer
kerndeutschesten Stämme. Wer in den Augen von Menschen zu lesen ver-
steht, — Ich glaube, Ich kann das, — der wird finden, wie warm und
herzlich, wie offen, ehrlich und ungemacht die Sympathie des Volkes Uns
entgegenschlägt, bei alt und jung; und das ist der schönste Lohn, der einem
Monarchen und einer Kaiserin werden kann. Sie haben freundlichst einen
Zug gestreift, für dessen Erwähnung Ich Ihnen dankbar bin. Sie können
sich versichert halten, daß bei der Erinnerung an Meine große, unvergeß-
liche Urgroßmutter, die Königin Luise, Ich damals auch der hohen, schwer-
geprüften Frau gedacht habe und es Mir ein wahres Herzensbedürfnis und
eine Beruhigung für Meine Seele war, als Ich wußte, daß Ich ihr eine
Freude bereiten konnte, und Ihre Majestät hat die Gnade gehabt, Mir
durch Uebersendung eines wundervollen Bildnisses Meiner hochseligen Frau
Urgroßmutter zu danken. Hier an dieser Stelle fordere ich Sie auf, mit
Mir das Glas zu erheben und auf das Wohl der von Mir heißgeliebten
Provinz zu trinken, deren Blühen und Gedeihen Mir stets am Herzen liegen
wird und für die Ich Meine ganze Macht einsetzen werde. Die Provinz
Hannover: Hurra! hurra! hurra!
4. September. (Hannover.) Der Kaiser richtet folgendes
Telegramm an die britische diplomatische Agentur in Kairo: