Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 1.) 165
Volksschule aufrecht zu erhalten sein. Versuche, diese Reform auf anderem
Wege als im Rahmen eines Volksschulgesetzes zu erreichen, sind bisher miß-
lungen. — In der Wirtschaftspolitik verlangt der Aufruf einen erhöhten
Schutz der nationalen Arbeit. Schutz des Kleingewerbes durch Besteuerung
der Großbazare und Beschränkung der unlauteren Konkurrenz. Ferner
heißt es: Die konservative Partei sieht in der Entwickelung des Verkehrs-
netzes eine der wichtigsten Aufgaben des Staates. Sie steht daher der
Ausdehnung des Verkehrs auch auf den Wasserstraßen nicht grundsätzlich
feindlich gegenüber; sie macht aber ihre Zustimmung zu den neuen Kanal-
bauten von dem Nachweise des wirtschaftlichen Nutzens und der Verzinsung
des Anlagekapitals und ferner davon abhängig, daß durch die Anlagen die
Produktionsbedingungen der Landwirtschaft nicht nachteilig beeinflußt wer-
den. — Ueber die allgemeine Stellung der Partei wird gesagt: Während
die Konservativen mit allen bürgerlichen Parteien Berührungspunkte haben,
ist dies mit der freisinnigen Partei, die in ihrer verhetzenden Agitation der
Sozialdemokratie die Wege ebnet und sich ihr in den Wahlkämpfen offen
an die Seite stellt, nicht der Fall. Unter den heutigen Verhältnissen ist
jede direkte oder indirekte Begünstigung der Sozialdemokratie ein Verrat
an unserem Vaterlande. Dies auszusprechen ist Pflicht gerade der konser-
vativen Partei, die sich bewußt ist, daß die Männer, die zu ihr halten, in
kritischen Zeiten das stärkste Bollwerk bilden werden zur Verteidigung der
Grundlagen, auf denen die Größe Preußens und Deutschlands beruht.
In dem Aufruf der freikonservativen Partei heißt es: Fest-
stehend auf der Grundlage unserer verfassungsmäßigen Monarchie, treten
wir ebenso entschieden ein für die Wahrung der Machtstellung der Krone,
wie für die Rechte der Landesvertretung und die verfassungsmäßigen Be-
fugnisse und Freiheiten der Staatsbürger. Aber gerade im Interesse der
bürgerlichen Freiheit verlangen wir wirksame Schutzwehren gegen den
Mißbrauch der staatsbürgerlichen Rechte zu sozialrevolutionären Bestreb-
ungen, welche sich gegen die Monarchie, unseren Staat und seine Verfassung
selbst richten und zugleich den Nährboden für die Verirrungen und Ver-
brechen des Anarchismus bilden. . . . . . Wir halten unverbrüchlich fest
an den Grundsätzen, welche unsere Partei seit einem Menschenalter in Bezug
auf das Verhältnis des Staates zu Schule und Kirche vertreten hat. Die
Erfahrungen seit dem Scheitern des letzten Entwurfes eines allgemeinen
Schulgesetzes haben gezeigt, daß der konfessionelle Charakter unserer Volks-
schulen und die in der Verfassung gewährleistete Einwirkung der Kirche
auf diese unter Wahrung ihres Charakters als Veranstaltung des Staates
auch ohne neue gesetzliche Vorschriften auf dem Wege der Verwaltung ge-
sichert werden kann.
1. Oktober. (Preußen.) Der Kaiser richtet folgenden kgl.
Erlaß an das Staatsministerium über die Stiftung der Rothen
Kreuz-Medaille:
Auf den Bericht vom 24. v. M. lasse Ich dem Staats-Ministerium
beifolgend die von Mir vollzogene Urkunde, betr. die Stiftung der Roten
Kreuz-Medaille, und die von Mir genehmigten Muster für die drei Klassen
dieses neuen Ehrenzeichens und für das Band, an welchem die beiden unteren
Klassen getragen werden sollen, mit dem Auftrage zugehen, für die Ver-
öffentlichung der Stiftungs-Urkunde durch die Gesetz-Sammlung Sorge zu
tragen und die General-Ordens-Kommission unter Beifügung der Muster
von Meinen Entschließungen in Kenntnis zu setzen.
Wilhelm R.