10 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 12.)
Jahren. Preußen — ich habe das schon mehrfach ausgeführt — hat mehr
noch als andere Staaten nötig, stark zu sein. Neben den großen Aufgaben,
die es erfüllen muß in der Mitwirkung und Mitarbeit am Deutschen Reich,
sind uns in Preußen noch ganz besondere Aufgaben gestellt, die andere
deutsche Staaten weder früher gehabt haben, noch jetzt haben. Nur starke
Staaten können ihre kulturellen Aufgaben voll erfüllen, und nur diejenigen
Staaten sind stark, die gesunde und gute Finanzen haben. (Sehr richtig!)
Meine Herren, ich bitte Sie, die altpreußischen Traditionen in Bezug auf
die Gebarung unseres Finanzwesens, welche Sie während all der Tagungen
bewiesen haben, auch mit zu übertragen auf ihre Nachfolger. Dann wird
es wohl stehen um unser Vaterland. (Bravo!)
12. Januar. (Preuß. Herrenhaus.) Antrag auf Ver-
hütung künftiger Hochwasserkatastrophen.
Herzog v. Ratibor u. Gen. beantragen: Die Regierung zu ersuchen,
unverzüglich dem Landtage einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen
die erforderlichen Mittel bereit gestellt werden, um, zur möglichsten Ver-
hütung künftiger Hochwasserkatastrophen, die dauernde Verbesserung der
Hochwasserabflußverhältnisse einzelner besonders gefährlicher Privatflüsse der
Provinzen Schlesien und Brandenburg durch Regulierung der Flußläufe,
Freilegung der Hochwasserabflußprofile, Zurückhaltung von Hochwasser und
Geschieben in den Quellgebieten und dergleichen herbeizuführen.
Nachdem der Antrag durch den Antragsteller und Oberbürgermeister
Büchtemann (Görlitz) unter Hinweis auf die Ueberschwemmungen des
Vorjahres in Schlesien und Sachsen (Jhrgg. 1897, S. 116) begründet ist,
erwidert der Landwirtschaftsminister Frhr. v. Hammerstein: Die Thron-
rede habe schon Maßregeln zur Regulierung der in Betracht kommenden
Flußläufe in Aussicht gestellt. Die Sache sei noch nicht spruchreif, daher
sei der Antrag überflüssig. Die Regierung bereite Vorlagen noch für die
gegenwärtige Session vor. Ueber die Höhe und die Deckung der Kosten sei
noch nichts zu bestimmen. — Der Antrag geht an eine Kommission.
12. Januar. (Bayerischer Landtag.) Abgeordnetenhaus.
Bayerische und preußische Eisenbahnpolitik.
Abg. Scherm (Soz.) fragt, wie man sich in bayrischen Regierungs-
kreisen zu der preußischen Eisenbahnpolitik verhalte, welche darauf ausgehe,
sich nach und nach alle deutschen Bahnen anzugliedern. Schon jetzt habe
Preußen durch den Ankauf der Hessischen Ludwigsbahn einen Fuß nach
Süddeutschland gesetzt, und weitere Bahnen würden folgen. Staatsminister
Dr. Frhr. von Crailsheim: „Wir denken nicht daran, die bayerischen
Eisenbahnen in irgend einer Form an Preußen oder das Reich abzutreten.
Es ist aber auch kein einziges Anzeichen vorhanden, daß Preußen die bayeri-
schen Eisenbahnen an sich ziehen will. Wenn in der Presse oder sonstwo
unitaristische Wünsche zur Sprache gebracht werden, so beweist das noch
nicht, daß auf seiten der preußischen Regierung derartige Tendenzen bestehen.
Die preußische Regierung sieht wohl ein, daß kein größerer politischer Fehler
gemacht werden könnte, als wenn die Selbständigkeit der Einzelstaaten in
Bezug auf das Eisenbahnwesen angetastet werden sollte. Ich kann zur Be-
ruhigung sagen, daß unsere Beziehungen zur preußischen Eisenbahnverwaltung
freundschaftliche sind und daß das Bestreben, gegenseitige Interessen zu
fördern, auf beiden Seiten gleichmäßig vorhanden ist".
12. Januar. (Berlin.) Der Kaiser richtet folgende Kabinetts-
ordre an den kommandierenden Admiral v. Knorr: