172 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (November 11.)
wird Müller mit 3730 Stimmen gegen Strosser mit 3066 Stimmen
gewählt.
November. Die katholische Presse begrüßt mit großer Ge-
nugthuung die Schenkung der Grabstätte der hl. Jungfrau. Vgl.
Türkei.
11. November. (Lippe-Detmold.) Das „Neue Wiener
Tagebl.“ veröffentlicht den Brief des Graf-Regenten von Lippe an
den Kaiser vom 15. Juni und eine Denkschrift an sämtliche Bundes-
fürsten. Vgl. S. 141.
Das Schreiben an den Kaiser lautet: Detmold, 15. Juni 1898.
Allerdurchlauchtigster Kaiser und König, Allergnädigster Kaiser und Herr!
Eure Majestät wollen Allergnädigst geruhen, mir in nachstehender An-
gelegenheit huldvollst Gehör zu schenken und mir Ew. Majestät mächtigen
Schutz und Beistand gewähren zu wollen. Nach Uebernahme der Regent-
schaft des Fürstentums Lippe habe ich, übrigens im Einverständnisse mit
dem Generalkommando des 7. Armeekorps Anordnung dahin getroffen, daß
den Mitgliedern meines Hauses seitens der hier dislozierenden Truppen
militärische Ehren zu erweisen, sowie daß in der Anrede das Prädikat Er-
laucht anzuwenden sei. Beide Anordnungen sind seitens des kommandieren-
den Generals des 7. Armeekorps einseitig aufgehoben worden, letztere noch
mit der Verschärfung, daß es den Offizieren des hiesigen Bataillons nicht
einmal gestattet ist, aus Kourtoisie die genannte Anrede zu gebrauchen. Ich
darf dabei vorausschicken, daß, wenn irgendwie der Wunsch an mich heran-
getreten wäre, die getroffenen Anordnungen zu modifizieren, ich mich diesem
Wunsche wohl nicht widersetzt hätte, und es ist auch weniger die nunmehr
eingetretene Versagung militärischer Ehrenbezeugungen für die Mitglieder
meines Hauses der Anlaß dieser meiner Bitte an Ew. Mojestät, als der
Eingriff des kommandierenden Generals in die Rechte des Kontingents-
und Landesherrn und die unterschiedliche Behandlung des Fürstentums
Lippe zu den anderen deutschen Bundesstaaten, welche mich zwingt, Ew.
Majestät allergnädigste Hilfe anzurufen. Durch die Militärkonvention vom
23. Juli 1874 ist zwar die Militärhoheit an Ew. Mojestät abgetreten,
jedoch sind dem Kontingentsherrn diejenigen Rechte verblieben, welche nicht
Gegenstand jener Uebereinkunft waren. Insbesondere ist dem Kontingents-
herrn ausdrücklich die Stellung und die Ehrenrechte eines kommandierenden
Generals gegenüber den im Fürstentum dislozierenden Truppen eingeräumt
worden. Unverträglich mit diesen verfassungsmäßigen Ehrenrechten des Kon-
tingentsherrn dürfte es sein, daß der Dienstvorgesetzte eine von mir erlassene
Anordnung seinerseits aufhebt und ebenso unberechtigt scheint es, daß er
meinen Landeskindern befiehlt, einer von mir getroffenen Anordnung auf
einem nicht militärischen Gebiete ungehorsam zu werden. Dies Verfahren
erscheint mir um so unrichtiger, als es von dem gegenüber anderen Bundes-
staaten durchaus abweicht, in denen die gleichen Anordnungen von alters
her und unbeanstandet in Brauch sind. Artikel 12 der Konvention bestimmt
ausdrücklich, daß, sofern nicht die Reichsverfassung und die preußischen
Militärgesetze ein anderes bestimmen, für die im Fürstentum Lippe dis-
lozierenden Truppen die hiesigen Gesetze, Verordnungen und Rechtsnormen
zur Anwendung kommen. Es dürfte daher unzulässig sein, daß der kom-
mandierende General in Münster über den Kopf des Landes- und Kon-
tingentsherrn hinweg dessen Anordnungen für unverbindlich erklären kann.