Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (November.) 175
richte brachten. Endlich gab es da noch die täglichen Reizungen, welche
zu erkennen gaben, daß die Dänen mich glaubten an der Nase herumführen
zu können. Deshalb schlug ich los. Die Ausweisungen bedeuten also
nichts anderes, als den wirklichen Beginn meiner Präsidentschaft. Persön-
lich feindliche Gefühle gegen das Dänentum hege ich durchaus nicht. Ich
habe mich mit dänischer Geschichte beschäftigt und würde gern die Sprache
lernen. Ich habe Kopenhagen besucht und mich in die Erinnerungen eines
alten, edlen Volkes vertieft. Ich kenne persönlich König Christian, der von
Wiesbaden aus oft Frankfurt besuchte, wo ich früher Präsident war. Ver-
hehlen will ich vor Ihnen nicht, daß König Christian über das unkluge
Auftreten der Südjüten ebenso betrübt ist wie ich, namentlich wenn Mit-
glieder des Königshauses sich rücksichtslos in die Agitation einmischen, so
z. B. wenn Südjüten dem Kronprinzen eine Gabe senden mit der Inschrift,
daß sie niemals von Dänemark geschieden werden wollen. Jeder vernünftige
Mensch muß das lächerlich finden, denn ohne uns in Einzelheiten der neueren
Geschichte zu vertiefen, ist es Thatsache, daß Schleswig zu Preußen gehört.
Wie weit ich mit den Ausweisungen zu gehen gedenke? Es gibt hier zu-
sammen gegen 26000 Dänen und Optanten. Von diesen sind bisher nur
117 ausgewiesen, davon 40 wegen verhängter Strafen (grober Unfug),
77 wegen Agitation. Von Optanten sind bisher nur einzelne wegen Ueber-
tretungen von Gesetzen ausgewiesen. Die ganze sogenannte Massenausweisung
ist bisher nur ein Probeversuch, und erst wenn ich die Wirkungen wahr-
genommen habe, werde ich meine weiteren Bestimmungen treffen. Optanten
(Schleswiger, welche sich für die dänische Staatsangehörigkeit erklärt
haben) kann ich überhaupt nicht in größerem Maße ausweisen, wenn sie
sich nicht gegen die Gesetze vergehen. Was die dänischen Dienstboten be-
trifft, so haben sie nichts begangen, aber durch ihre Ausweisungen werden
die fanatischen Dienstherrschaften betroffen, die selber ich nicht ausweisen
kann. Was die vermeintliche Vernichtung der schleswig'schen Landwirtschaft
betrifft, so finden sich deutsche Arbeitskräfte im Ueberfluß in den Städten,
aber ruhige dänische Dienstherrschaften können übrigens gern ihre Leute
behalten. Wollen dänische Südjüten der Ausweisung entgehen, so sollen
sie sich von Ausflügen nach Dänemark, von den Hochschulen (Volkshoch-
schulen in Dänemark), von dänischen Vereinen, von Versammlungen
und Agitation fernhalten. Niemand wird bloß deshalb ausgewiesen,
weil sein Dienstherr für Gustav Johannsen stimmt. Ich gedenke keinen
seiner politischen Rechte zu berauben. Was schadet ein einziges dänisches
Mitglied im Reichstage dem Deutschtum? Die Ausweisungen zielen be-
sonders auf die örtliche Agitation. Wenn Deutsche sich in Dänemark auf-
führten, wie die Südjüten in Deutschland, würden sie auch ausgewiesen
werden. Ich rufe nach Dänemark hin: haltet Frieden, und auch wir wer-
den Frieden halten. Sie sind der erste Däne, mit dem ich über Schleswig
spreche, und Sie sehen, ich kann mit Ihnen über die Dinge sprechen, ob-
gleich Sie Däne sind und ich Deutscher. Warum sind Gustav Johannsen,
Hanssen-Nordermühle und Jessen niemals zu mir gekommen mit offenem
Visir? Weil sie alle drei ein schlechtes Gewissen haben; sie wissen, daß sie
mir persönlich gegenüber Unrecht haben. Johannsen ist ein liebenswürdiger
Mann, den ich vom Reichstage her kenne, Hanssen und Jessen treiben
Berufspolitik. Sie sind gewerbsmäßige Unruhstifter. Ich lese jeden Tag,
was sie schreiben. (Der Minister zog hier ein umfangreiches Heft mit
Zeitungsausschnitten hervor, worunter Berichte über die Einspruchsversamm-
lungen in Kopenhagen, und sagte, auf die Ausschnitte deutend:) Wünschen
Sie mehr Ausweisungen, so halten Sie nur mehr Demonstrationsversamm-
lungen in Kopenhagen ab!