Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 12./15.) 189 
Partizipenden funktionierenden Bündnisse nicht zu viel zu diskutieren. Denn 
mit Allianzen ist es ähnlich wie mit den Damen. Denn schließlich sind 
doch diejenigen die besten, von denen man am wenigsten spricht. (Heiterkeit.) 
Was unser Verhältnis zu England angeht, so möchte ich heute nur sagen, 
damit glaube ich aber eine ganze Menge von Fragen zu beantworten, daß 
es vielfach berechtigte Punkte gibt, wo wir mit England zusammengehen 
können und gern zusammengehen ohne Schädigung anderweitiger, wertvoller 
Beziehungen. Zu meiner besonderen Freude ist unsere Haltung gegenüber 
dem spanisch-amerikanischen Konflikt von verschiedenen Seiten gebilligt 
worden. Wir hatten diesem Kriege gegenüber eine doppelte Aufgabe, ein- 
mal dafür zu sorgen, daß unsere Beziehungen weder zu Spanien noch zu 
den Vereinigten Staaten getrübt würden. An und für sich würden wir es 
im Interesse der Menschlichkeit und vom Standpunkte unserer Handels- 
interessen aus lieber gesehen haben, wenn dem Ausbruch dieses Krieges 
vorgebeugt worden wäre, der auf beiden Seiten schmerzliche Wunden ge- 
rissen hat. Nachdem jedoch alle diesbezüglichen Bemühungen gescheitert 
waren, blieb uns nichts anderes übrig, als den Dingen ihren Lauf zu 
lassen. Ein besonderes deutsches Interesse an der kubanischen Frage bestand 
nicht, noch weniger waren wir zu Richtern über die Frage eingesetzt, wer 
in diesem Streite Recht, wer Unrecht hatte; mit dem Privatrechte hat die 
Politik nichts zu thun. Wir hatten lediglich die Aufgabe, nach beiden 
Seiten die loyalste Neutralität zu beobachten. Dieser unserer Pflicht der 
Neutralität sind wir während des ganzen Verlaufs des Krieges mit der 
größten Gewissenhaftigkeit nachgekommen. Niemals, in keinem Stadium 
des Krieges, haben wir irgendwelche Tendenz zu unbefugter Einmischung 
gezeigt oder auch nur empfunden. Wir hatten ferner die Aufgabe, dahin 
zu wirken, daß die deutsche Schiffahrt und der deutsche Handel während 
des Krieges thunlichst vor Schaden bewahrt blieben. Ich sage thunlichst, 
denn jeder Seekrieg bringt es mit sich, daß die neutrale Ware und das 
neutrale Schiff bis zu einem gewissen Grade in Mitleidenschaft gezogen 
wird. Ich glaube aber sagen zu können, daß wir unserer Pflicht, die 
deutsche Schiffahrt und den deutschen Handel zu schützen, in den Grenzen 
strikter Neutralität und ohne Schädigungen unserer Beziehungen zu beiden 
kriegführenden Staaten in vollem Umfange nachgekommen sind. Wenn 
immerhin jeder Krieg, der zwei uns gleichmäßig befreundete Nationen entzweit, 
beklagenswert ist, so können wir uns doch der Hoffnung hingeben, daß 
unsere gewissenhafte, korrekte Haltung mit dem Glauben an unsere Fried- 
fertigkeit auch das Vertrauen in die Redlichkeit und Stetigkeit unserer 
Politik gestärkt hat. Was die Handelsbeziehungen Deutschlands zu Amerika 
betrifft, so hat mit dem Kabinett in Washington ein Gedankenaustausch 
stattgefunden, der verschiedene prinzipielle Differenzen ergeben hat. Die 
Verhandlungen sind naturgemäß durch den spanisch-amerikanischen Krieg 
bis zu einem gewissen Grade gestört worden, werden aber wieder auf- 
genommen werden, wie dies noch kürzlich von amerikanischer Seite uns 
versichert worden ist. Wir glauben nicht fehl zu gehen in der Annahme, 
daß auf beiden Seiten der gute Wille besteht, die freundschaftlichen Be- 
ziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland auch auf 
kommerziellem Gebiete fest zu halten. Wohin wir in Europa und in der 
Welt blicken, sehen wir die Regierungen von dem Bestreben erfüllt, den 
Frieden zu erhalten. Die Erhaltung des Friedens hängt nicht von einer 
einzelnen Macht ab, wir geben uns aber gern der Hoffnung hin, daß es 
noch gelingen möge, Konflikte zu vermeiden, an denen keiner ein Interesse 
hat. Wie die scheinbar entgegengesetzten Kräfte, die zentrifugalen und 
zentripetalen, sich zu einer Harmonie der Sphären vereinigen, wie das
	        
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