Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 15. 16.) 191
scheint, ihn sagen läßt, brauchen wir ebenso wenig Genugthuung zu leisten.
Die Herrschaften müssen sich daran gewöhnen, daß wir deutschen Katholiken
uns nicht bieten lassen, was man auch einem französischen, italienischen,
irischen oder amerikanischen Katholiken nicht bieten kann. Wir sind genau
ebenso deutsch, wie wir katholisch sind (Zustimmung im Zentrum), und da-
rum geben wir uns der Hoffnung hin, daß man uns endlich in Deutschland
auch als vollwichtige Deutsche behandeln wird (Beifall im Zentrum), daß
man uns nicht nur im Auslande, sondern auch im Inlande schützen und
unsere Rechte nicht kränken wird. Die Zeiten sind auch zu unserer Be-
friedigung vorüber, in denen ein preußischer Kultusminister sagen durfte,
man glaube uns nichts mehr in unserer katholischen Bevölkerung. Die
Rückkehr des Vertrauens ist auf beiden Seiten angebahnt und ich hoffe,
daß dies rückkehrende Vertrauen auf unsere gute deutsche Gesinnung endlich
dazu führen wird, uns auch im deuschen Vaterlande frei und ungehindert
nach unserer religiösen Ueberzeugung leben und sterben zu lassen. (Beifall
im Zentrum.)
Der größte Teil des Etats wird an die Budgetkommission verwiesen.
Mitte Dezember. (Krefeld.) Ausstand der Weberei-Arbeiter.
— Der Grund liegt in Lohnstreitigkeiten.
15. Dezember. Das „Reichs-Gesetzblatt“ veröffentlicht die am
1. Dezember vom Kaiser vollzogene Militär-Strafgerichtsordnung
sowie das Einführungsgesetz zu derselben und das Gesetz, betreffend
die Dienstvergehen der richterlichen Militär-Justizbeamten.
Dezember. Die Zentrumspresse über das Protektorat im
Orient. Polemik mit der „Voce della Veritá“:
Die „Voce della Veritá“ kritisiert die Aeußerung des Abg. Fritzen
im Reichstage (S. 185) und schreibt, daß die Wendung, in welcher das franzö-
sische Protektorat als eine „persecutio“ bezeichnet wird, den Vatikan gekränkt
habe, welcher in dem Schreiben an den Kardinal Langenieux und in der
Ansprache an die französischen Pilger für dieses Protektorat eingetreten sei.
Was die Erklärung Liebers angehe, daß die deutschen Katholiken sich nichts
bieten lassen werden, was man anderen Katholiken nicht zu bieten wagen
würde, sagt die „Voce della Veritá“, wenn Lieber damit Zumutungen des
Vatikans meine, so würde sie ihn ermahnen, ehrenvolle Abbitte zu leisten.
Hierauf erwidert die „Köln. Volksztg.“: Uns ist von Zumutungen
des Vatikans an die deutschen Katholiken nichts bekannt. Abg. Lieber hat
vom Vatikan gar nicht gesprochen, sondern nur von der „Voce della Veritá“,
die vom Abg. Fritzen für die angebliche Beleidigung Frankreichs Genug-
thuung verlagte. Den Franzosen und Französlingen in Rom dürfte Dr. Lieber
schwerlich ehrenvolle Abbitte leisten.
16. Dezember. Die „Südd. Reichskorrespondenz“ veröffent-
licht folgendes Telegramm des Kaisers an den Prinzen Karl von
Baden auf die Nachricht von der Begründung des badischen Landes-
komitees des deutschen Flottenvereins:
Eurer großherzoglichen Hoheit spreche Ich Meinen verbindlichsten
Dank für die telegraphische Meldung von der heute erfolgten Bildung eines
badischen Landeskomitees des deutschen Flottenvereins freudigen Herzens aus.
Es gewährt Mir eine hohe Befriedigung, zu sehen, wie gerade im badischen
Lande der nationale Gedanke von der Notwendigkeit einer Verstärkung der