192 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 19.)
deutschen Flotte zur Verteidigung der Größe des Reiches und zur Erhaltung
seines wirtschaftlichen Wohlstandes immer tieferes Verständnis und treue
Unterstützung findet. Insonderheit hat es Mich mit aufrichtigem und tiefem
Danke erfüllt, daß Se. königliche Hoheit der Großherzog die Gnade gehabt
hat, das Protektorat über das Landeskomitee zu übernehmen. Ew. Hoheit
bitte Ich, auch den Mitunterzeichnern des Telegramms Meinen warmen
Dank ausdrücken zu wollen.
Wilhelm I. R.
19. Dezember. Die „Nordd. Allg. Zig.“ schreibt über die
Diskussion über die Fleischnot in Deutschland:
In der Erörterung über die sogenannte Fleischnot in den letzten
Monaten ist die Absperrung des Deutschen Reichs gegen die Vieh- und Fleisch-
einfuhr aus dem Ausland oft übertrieben und irrig dargestellt worden. Es
dürfte sich daher verlohnen, die wirklich bestehenden Einfuhrverbote über-
sichtlich darzustellen. Weder für lebendes Vieh noch für tierische Produkte
besteht ein Einfuhrverbot gegen das gesamte Ausland. Es bestehen nur
Verbote gegen einzelne ausländische Staaten, aber selbst diese Verbote gelten
in den meisten Fällen nicht für die gesamte deutsche Zolllinie, sondern nur
für die Grenzen eines oder mehrerer deutschen Staaten, da die Mehrzahl der
Einfuhrverbote nicht von der Reichsregierung, sondern von den einzelnen
deutschen, an der Zollgrenze liegenden Staaten erlassen ist. Auf diese Weise
kommt es, daß über den einen Teil der deutschen Zollgrenze die Einfuhr
verboten, über den anderen Teil dagegen, der zu einem andern Bundesstaat
gehört, die Einfuhr frei ist. Dieser Umstand wird bei der Beurteilung der
Absperrung des Deutschen Reiches gegen das Ausland meistens übersehen.
Einfuhrverbote, welche die gesamte deutsche Zollgrenze umfassen, gibt es nur
für Rindvieh gegen Rußland, die Niederlande, Schweden und Norwegen, Groß-
britannien und Amerika; für Schweine gegen Rumänien, Serbien und Bulgarien,
ferner gegen die Niederlande, Dänemark, Schweden und Norwegen und
Großbritannien; für Schafe gegen Rußland, die Niederlande, Schweden und
Norwegen und Großbritannien. Alle übrigen Einfuhrverbote für Rindvieh,
Schweine und Schafe sind nur Teilverbote über gewisse Strecken der deutschen
Zolllinie, die die Einfuhr über einen Teil der deutschen Zollgrenze nach wie
vor gestatten.
19. Dezember. (Preußen.) Disziplinarverfahren gegen Prof.
Hans Delbrück.
Gegen den ordentlichen Professor an der Universität Berlin Dr. Hans
Delbrück wird wegen seiner Aeußerungen über die Ausweisungen aus
Nordschleswig in den „Preußischen Jahrbüchern" auf Grund des § 2 des
Gesetzes vom 21. Juli 1852 über die Dienstvergehen der nicht richterlichen
Beamten das Disziplinarverfahren eingeleitet. Der § 2 lautet: „Ein Be-
amter, welcher 1. die Pflichten verletzt, die ihm sein Amt auferlegt, oder
2. sich durch sein Verhalten in oder außer dem Amte der Achtung, des An-
sehens oder des Vertrauens, die sein Beruf erfordert, unwürdig zeigt, unter-
liegt den Vorschriften dieses Gesetzes.“ Die Disziplinarstrafen bestehen laut
§ 14 in Ordnungestrafen und Entfernung aus dem Amte. Die Ordnungs-
strafen zerfallen (§ 15) in Warnung. Verweis, Geldbuße. Die Aeußerungen
Professor Delbrücks, welche zu der Maßregel den Anlaß geben, lauten:
„Die jüngsten Ausweisungen in Schleswig schreien zum Himmel.
Wenn man in der Darstellung der deutschen Geschichte zum schleswigehol-
steinischen Kriege kommt und die Unthaten der Dänen an dem verratenen
Bruderstamm schildern möchte, dann stockt die Stimme, und das Wort er-