Die Gesterreichisch-Augarische Monarchie. (Februar 12. 24.) 201
Titeln, wodurch die Regierung sich einen Wahlfond von mehreren
Millionen verschafft habe. Die Behauptungen erregen großes Auf-
sehen, führen aber nicht zu einer parlamentarischen Untersuchung.
12. Februar. (Böhmischer Landtag.) Die Adreßkom-
mission, an der die Deutschen nicht teilnehmen, genehmigt ein-
stimmig folgenden Entwurf an den Kaiser:
Der Landtag möge beschließen, eine Deputation an den Kaiser ab-
zusenden, welche zu geeigneter Zeit Allerhöchstdemselben die Huldigung des
Landtages zu dem fünfzigjährigen Herrscher-Jubiläum unterbreiten solle;
ferner möge der Landtag eine Adresfse an den Kaiser beschließen. Der Adreß-
entwurf mißt den größten Teil der Schuld an der Verschärfung der poli-
tischen Verhältnisse Oesterreichs dem Zentralismus zu, welcher es der Re-
gierung unmöglich mache, sich den eigenartigen Verhältnissen der Königreiche
und Länder anzupassen. Der Landtag halte es für seine Pflicht, gerade
jetzt zu erklären, daß er in unbeugsamer Treue festhalte an dem Rechte des
Königreichs Böhmen auf selbständige Gesetzgebung und Verwaltung. Die
Adresse hebt ferner die Notwendigkeit der Erweiterung der Kompetenz
der Landtage hervor, betont den Grundsatz der absoluten Gleichberechtigung
und Gleichwertigkeit beider Völker Böhmens, ebenso das Recht eines jeden
Einwohners des Königreichs, in seiner Sprache bei allen Behörden Recht
zu suchen und und zu finden, weist auf die Notwendigkeit der Erhaltung
der Einheit und Unteilbarkeit des Königreichs hin und schließt mit dem
Ausdruck der Hoffnung auf Wiederkehr von Ruhe und Frieden und dem
Wunsch, daß unter dem Jubel beider Völker die heilige Wenzelskrone auf
dem Haupte des Kaisers erstrahlen möge.
24. Februagr. (Böhmen und Mähren.) Erlaß neuer
Sprachenverordnungen.
Die Verordnungen vom 5. und 22. April v. J. werden mit dem
15. März d. J. außer Kraft gesetzt. Die neuen Verordnungen find aus-
drücklich „vorbehaltlich gesetzlicher Regelung“ und nur „provisorisch“ erlassen.
Die Verordnung für Böhmen verfügt — unter Festhaltung des Grund-
satzes, daß jeder Einwohner bei allen in der Verordnung genannten Be-
hörden sein Recht in einer der beiden Landessprachen suchen und finden
kann — im wesentlichen folgendes:
Amts= und Dienstsprache der Behörde ist jene Landessprache, zu
welcher als Umgangssprache sich die anwesende Bevölkerung eines Amts-
bezirks nach dem Ergebnis der jeweiligen Volkszählung bekennt. In sprach-
lich gemischten Amtsbezirken haben beide Landessprachen gleichmäßig An-
wendung zu finden. Als sprachlich gemischte Amtsbezirke im Sinne des
vorstehenden Satzes find anzusehen: a) die Amtsbezirke jener Behörden und
Organe, deren Amtsbezirke nur eine oder mehrere Gemeinden umfassen.
wenn wenigstens ein Viertel der anwesenden Bevölkerung nach den Ergeb-
nissen der letzten Volkszählung sich zu der anderen Landessprache als Um-
gangssprache bekennt; b) die Amtsbezirke jener Behörden, deren Amtsbezirke
einen ganzen Gerichtsbezirk umfassen, wenn wenigstens ein Viertel der
Gemeinden des Gerichtsbezirks eine zu der anderen Landessprache sich bekennen-
den Bevölkerung hat oder in dem sub a bezeichneten Maße sprachlich gemischt
ist; c) die Amtsbezirke jener Behörden, deren Amtsbezirke sich über mehrere
Gerichtsbezirke erstrecken, wenn auch nur ein Gerichtsbezirk anderssprachlich
oder im Sinne der Bestimmungen sub b als sprachlich gemischt angegeben