Bie Gesterreichisch-Angarische Monarcie. (Mai 17. 20.) 217
rate vertreten zu wollen; der Mann, den die deutschen Abgeordneten im
Parlamente mit vollem Rechte nicht mehr das Wort ergreifen ließen, weil
seine Persönlichkeit selbst schon zu einer dauernden Herausforderung ge-
worden war — er sollte das höchste Richteramt in unserer Stadt bekleiden,
sollte unser Mitbürger werden?! Da wäre es ja in der That noch besser,
uns den Grafen Badeni als Statthalter zu schenken; er hat sich kaum
in höherem Grade wie Gleispach als Todfeind des deutschen Volkes er-
wiesen, aber der Pole beleidigte wenigstens nicht das deutsche Stammes-
bewußtsein!
Am 17. kommt es in Graz zu Tumurlten, als die Kapelle des bos-
nischen Regiments, das bei den Novemberunruhen eingeschritten und damit
unpopulär geworden war, zum erstenmale wieder öffentlich spielt.
17. Mai. (Budapest.) Ungarische Delegation. Graf Go-
luchowski über den von der „Frankfurter Zeitung“ veröffentlichten
österreichisch-russischen Vertrag. (S. 122.)
Im auswärtigen Ausschusse der Delegation befragt der Referent
Dr. Falk den Minister des Auswärtigen: Die gestrige „Frankf. Ztg.“ hat
ausführliche Mitteilungen über einen angeblichen zwischen Oesterreich-Ungarn
und Rußland abgeschlossenen Vertrag. Es würde allgemeine Beruhigung
hervorrufen, wenn der Minister sich äußern würde, ob diese Publikation
der Wahrheit entspreche oder nicht. Graf Goluchowski erwidert: Ich
kann diese Frage bündig und mit kurzen Worten dahin beantworten, daß
die Mitteilung der „Frankf. Ztg.“ eine plumpe Erfindung ist.
20. Mai. (Steiermark.) Degradierung deutsch-nationaler
Offiziere. Beschlüsse des Grazer Gemeinderats.
Das Kriegsministerium bestätigt das Urteil des Grazer Offizier-
Ehrenrates, wonach 38 Offiziere und Kadetten der Reserve, die sich wegen
ihrer Beteiligung an dem Leichenbegängnisse des bei dem Straßentumulte
am 27. November v. J. in Graz gefallenen Arbeiters Retter beteiligt hatten,
ihrer Charge verlustig erklärt und zu Gemeinen degradiert werden. Dieses
Erkenntnis stützt sich auf die Begründung, daß die Beschuldigten ihre
Standesehre dadurch verletzt hätten, daß „sie sich an dem Leichen begängnisse
einer bei einem Straßentumulte anläßlich gewaltsamer Angriffe gegen eine
militärische Assistenz durch die letztere erschossenen Zivilperson demonstrativ
beteiligt hätten.“ — Die in Graz herrschende Erregung wird dadurch noch
gesteigert. Am 25. Mai faßt der Grazer Gemeinderat eine Resolution, in
welcher er die Beteiligung der Reserve-Offiziere am Begräbnis des bei den
Novemberexzessen erschossenen Arbeiters Retter lediglich als Demonstration
gegen die Rechtsbrüche des Ministeriums Badeni erklärt und betont, daß
politische Bethätigung den Bürgern auch dann gewährleistet sei, wenn sie
dem Heeresverband angehören. — In der Ernennung des an den Sprachen-
verordnungen des deutschfeindlichen Grafen Badeni hervorragend beteiligten
Grafen Gleispach zum Präsidenten des Grazer Oberlandesgerichts erblickt
der Gemeinderat eine empfindliche Kränkung der deutschen Bevölkerung und
eine bedauerliche Schädigung der Justizpflege, die in erster Linie das Ver-
trauen der Bevölkerung zu ihren Funktionen voraussetzt. Ferner sei dahin
zu wirken, daß die bosnische Kapelle bis auf weiteres nicht mehr spielt,
um allfällige Ausschreitungen zu vermeiden, und daß überhaupt das bos-
nische Regiment aus Graz verlegt werde. — Die steiermärkische Advokaten-
kammer erklärt, die Ernennung Gleispachs gefährde den ruhigen Gang der
Rechtspflege.